Jeden Freitag «z Märit»

Jeden Freitag  «z Märit»
Langnau: «550 Jahr Langnou Märit» – Freitags beleben viele Menschen den Viehmarktplatz. Das freut die Marktleute, die Gemüse, Obst und vieles mehr anbieten.

Viele Gründe sprechen dafür, auf dem Wochenmarkt direkt beim Erzeuger einzukaufen. Die Qualität übertrifft Supermarktware oft bei Weitem, hinzu kommt, dass man mit dem Einkauf das lokale Gewerbe unterstützt. Doch nicht nur deswegen zieht es zahlreiche Besucher aus dem Ort und den umliegenden Dörfern freitags auf den Langnauer Wochenmarkt.

Auch Kochtipps werden geliefert  
Viele der befragten Besucher schätzen auch die freundliche Atmosphäre am Markt. Stammkunden werden mit Namen begrüsst und falls der Andrang nicht zu gross ist, bleibt auch Zeit, miteinander zu plaudern. «Auf dem Märit einzukaufen, ist ein Erlebnis mit allen Sinnen», erzählt eine Besucherin. Sie mag es, ihr Gemüse am Stand selbst aussuchen zu können.
«Ist es regional?» – «Wie bereite ich das zu?» Diese Fragen werden Robert und Doris Mosimann von «Bio Röbu» häufig gestellt. Generell ist kochen ein viel diskutiertes Thema. Wenn dann ein Kunde kommt und erzählt, dass der Tipp gut und das Essen fein war, freut sich Doris Mosimann. Das sei das «i-Tüpfelchen» ihrer Arbeit.
Die faszinierende Seite ihrer Arbeit ist für sie das stetig wiederkehrende Wunder, wenn aus klitzekleinen Samenkörnern Gemüse heranwächst. Herausfordernd ist es, wenn Gemüse und Wetter so ganz anders wollen, als sie es für ihren Marktstand gebrauchen könnten. «Letztes Jahr war unser Zuckerhut recht klein, deshalb haben wir ihn dieses Jahr eine Woche früher ausgesät. Das Ergebnis? Durch das milde Wetter haben wir nun riesige Zuckerhüte», erzählt sie und schmunzelt.
Auch Rosmarie Eggimann aus Rüderswil hat in 30 Jahren Markttätigkeit schon manches erlebt. Zusammen mit dem Bio-Gemüsestand Hofer gehört sie zu den dienstältesten Wochenmarktbetreibern. 2014 hat es der Bäuerin alles im Garten verhagelt. «Ich hatte nichts zum Verkaufen», erzählt sie. Schwankende Einnahmen, die kennen sie alle hier. Für viele ist der Wochenmarkt ein Nebenerwerb, neben anderen Vertriebszweigen. Bei «Bio Röbu», dem grössten Stand am Platz, ist es hingegen der reine Haupterwerb. Er ist nicht nur am Freitag, sondern auch dienstags am Viehmarkt anzutreffen.

Das gleiche Ziel
Früh morgens aufstehen und Woche für Woche bei Wind und Wetter draussen stehen, das ist harte Arbeit, für die nicht jeder geschaffen ist. Die Marktbetreiber nehmen es sportlich. Jetzt im Winter mit vielen Kleidungsschichten und warmen Getränken. Doch mit den Stunden am Markt alleine ist es nicht getan. Die Produkte müssen ja vorbereitet werden. Bei «Bio Röbu» wird das Gemüse am Tag vorher geerntet und parat gemacht. Bei «Bio Hofer» steht man am Markttag um vier Uhr morgens auf, um zusätzlich noch zu backen. Bei Daniel Rüegseggers «Pilzchrättli» geht es jetzt ausserhalb der Frischpilzsaison etwas ruhiger zu und her. Ab Juni wird er jeweils die Donnerstage wieder im Wald zubringen, um am Langnauer Wochenmarkt neben seinen hausgemachten Teigwaren und Produkten mit getrockneten Pilzen auch frische Ware anbieten zu können.
Lotti Hasler, deren Stand an den von «Bio Röbu» angrenzt, ist nur in der kälteren Jahreszeit anzutreffen. Sie verkauft Bergkäse aus eigener Herstellung. Eine Tonne Käse produziert sie den Sommer über auf ihrer Alp in Wasen. Sie ist dankbar für die treue Kundschaft des Wochenmarktes und die Hilfsbereitschaft unter den Markttreibenden. «Wir haben dasselbe Ziel – verkaufen», bringt es Rosmarie Eggimann auf den Punkt.
Ob das nun selbstgefertigte, mediterrane Waren wie Pesto, Oliven oder getrocknete Tomaten an Ruth Zauggs Stand sind oder traditionelle Eigenprodukte am Stand der «Märitgruppe vo Burefroue» daneben, alle Markttreibenden bereichern auf ihre Art den Wochenmarkt. Wenn es nach Röbu Mosimann ginge, dürften es ruhig noch ein paar Stände mehr sein. Stände mit noch nicht vertretenen Produkten, um die Vielfalt und Attraktivität des Marktes weiter zu mehren.
Wechselvolle Geschichte des 1619 gegründeten Wochenmarktes
Der Langnauer Wochenmarkt ist kein Kind der Neunzigerjahre, wie oftmals behauptet wird. Bereits 1619 wandte sich die Gemeinde Langnau mit der Bitte an die bernische Obrigkeit, man möge dem Dorf einen Wochenmarkt gewähren – drei Wochen später war die Bewilligung eingetroffen! Dass ein Dorf wie Langnau einen Wochenmarkt abhalten durfte, ist noch erstaunlicher als das Recht für Jahrmärkte. Wochenmärkte waren ein Zeichen einer mittelalterlichen Stadt.
Die Obrigkeit sah im Wochenmarkt die Chance, den Fürkauf zu unterbinden, bei dem die Bauern ihre Güter direkt verkauften. Wenn Getreide, Butter, Käse, Hanf, Tuch und Geflügel am Wochenmarkt in der damals 100-jährigen Kramlaube verkauft wurden, konnten Zoll-, Stand- und Waaggebühren eingenommen werden. Die Langnauer waren sogar mutig genug, um zu fordern, dass sie zumindest die Stand- und Waaggebühren behalten dürfen, «weil die Vorfahren mit dem Bau der Marktlaube grosse Kosten gehabt und ihnen der Unterhalt des Gebäudes obliegt». Auch hier lenkte Bern ein. Die Amtleute wurden aber angewiesen, den Fürkauf strikte zu unterbinden: Wer erwischt wurde, hatte eine saftige Busse von zehn Pfund zu zahlen. 

Essen für die Kriegsheere
Offenbar war das Angebot auf dem Langnauer Wochenmarkt nicht sonderlich gross, weshalb er nach kurzer Zeit wieder eingestellt wurde. Das lag auch an den äusseren Umständen: Ein Jahr zuvor war der Dreissigjährige Krieg ausgebrochen und die im süddeutschen Raum kämpfenden Heere wollten verpflegt sein – wenn nötig mit Korn und Käse aus dem Emmental. Als Gegenmassnahme unterstützte die Obrigkeit weiterhin den Wochenmarkt, um die Geschäfte ausländischer Händler zu erschweren.
«Offenbar gehört es zum Wesen dieses Wochenmarktes, dass er jeweils nach einigen Jahren von selber einging, um dann früher oder später wieder fröhlich Urständ zu feiern», schreibt Fritz Häusler in «die alten Dorfmärkte des Emmentals». Auch der Wochentag änderte mehrmals: Während zu Beginn – wie heute – am Freitag Markt war, fand dieser ab 1655 mittwochs statt, damit der Lärm die am Freitag in der nahen Kirche gehaltene Wochenpredigt nicht entweihe. 1690 wurde der Markt wieder auf den Freitag verlegt, die Gründe waren nicht religiöser, sondern verkehrstechnischer Natur. So konnten nämlich die Hodler (Getreidehändler) das Korn, dass sie donnerstags in Burgdorf nicht verkauften, am Freitag in Langnau anbieten, ehe ihre Reise weiter nach Thun ging. 

Grosse Nachfrage und Konkurrenz
Mit dem Aufkommen des Leinengewerbes im Emmental wuchs die Zahl der Leute weiter, welche nicht selber Nahrungsmittel herstellten konnten. In den Schächen gebe es eine stattliche Anzahl armer Leute, hatte der Trachselwalder Landvogt Samuel Mutach beobachtet. Die Nachfrage war demnach gross, weshalb auch wieder der Fürkauf verlockend wurde, zumal damit die lästigen Gebühren umgangen werden konnten. Deshalb wurde in der Marktordnung genau festgelegt, was wann wo verkauft werden durfte. So steht in einem Reglement von 1771, dass Korn nur von 6.00 Uhr bis mittags an der «dazu bestimmten Stelle» unter der Kramlaube verkauft werden durfte. Bei Verstoss drohten wiederum Bussen.
Die Konkurrenz durch Krämer und Hausierer wurde immer grösser, so dass der Langnauer Wochenmarkt erneut ausstarb, um 1797 wieder zu neuem Leben erweckt zu werden. Schliesslich gewährten der Schultheiss und der Rat den Wochenmarkt mit der Einschränkung, dass fremde Krämer ausgeschlossen sein sollen – wie heute wurden also regionale Produkte angeboten.
12.01.2017 :: Stephanie Schmid (sse), Bruno Zürcher (zue)