... oder auch: Was macht mich aus? Eine Frage, die es sich immer wieder zu stellen lohnt. Nur wenn ich fest verwurzelt bin, bin ich fähig, zu mir und meinen Werten zu stehen. Für seine Werte einzustehen, verlangt auch Mut. Ein eindrückliches Beispiel dafür ist Maria Alyokhina. Die junge Frau ist eine der wichtigsten russischen Dissidentinnen. Als Mitglied des Kunstkollektivs Pussy Riot wurde sie im August 2012 nach einer Anti-Putin-Performance in der Moskauer Erlöser-Kathedrale zu zwei Jahren Haft verurteilt. Diese Haft musste sie in einer stalingleichen Strafkolonie verbringen. Dauernder Verfolgung ausgesetzt, floh sie 2022 auf abenteuerliche Weise aus Russland in den Westen. Aktuell wurde sie in Abwesenheit erneut zu einer 13-jährigen Haftstrafe verurteilt. Ihr Verbrechen? Gewaltfreier und kreativer Protest gegen das autoritäre Regime von Putin und dessen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf die Ukraine. Dank Generationen von Vorkämpferinnen und Vorkämpfern habe ich das Glück, in einem liberalen Staat und einer funktionierenden Demokratie leben zu dürfen. Diese Sozialisation in einem freiheitlichen System der Gewaltentrennung, Gedanken- und Redefreiheit sowie politischer Freiheit ist wichtiger Aspekt meiner Persönlichkeit. «Die Welt wird dich fragen, wer du bist. Und wenn du die Antwort darauf nicht weisst, wird die Welt sie dir geben», sagte der Psychoanalyst Carl Jung. Wie recht er hat, können wir mit ungläubigen Augen aktuell in den USA mitverfolgen. In schwindelerregender Geschwindigkeit ist Präsident Trump dabei, Demokratie und soziale Einrichtungen zugunsten reicher Eliten zu zerstören. Demokratie und Pluralismus sind nicht in Stein gemeisselt. Sie müssen stets neu verteidigt werden. Dies gelingt aber nur dann, wenn ich weiss, was mich und unsere Gesellschaft ausmacht, was unsere gemeinsamen Werte sind. Kürzlich liess der Bundesrat verlautbaren, dass er Schülerinnen das Tragen von Kopftüchern in öffentlichen Schulen nicht verbiete. Er finde, der Staat und somit auch öffentliche Schulen sollten sich bezüglich religiöser Symbole neutral verhalten. Bloss wird das Kopftuchtragen im Koran nicht gefordert, ist somit kein religiöses Symbol. Es ist vielmehr ein Symbol der Unterdrückung und passt nicht zu den Wertvorstellungen einer liberalen Gesellschaft. «Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz», sagt das «Toleranz-Paradoxon» von Karl Popper. Tragen wir Sorge und kämpfen wir um unsere offene Gesellschaft, indem wir zu unseren Werten stehen und klar definieren, wo unsere Toleranz aufhört.