Neulich warteten wir Snowboarderinnen in einem Walliser Café und suchten nach einer Beschäftigung, die uns wach hält. Also zückten wir die Jasskarten und fingen an zu «schieberle». Doch wie immer blieb es nicht beim Spielen - zuerst musste die klassische Diskussion sein: Können sich diesmal die Ostschweizerinnen mit den deutschen Karten oder die Bernerinnen mit den französischen durchsetzen? Diesmal waren es wir Bernerinnen. Item. Als die junge Kellnerin vorbeikam, blieb sie stehen, schaute überrascht und fragte im breitesten Walliserdialekt, ob wir wirklich am Jassen seien. Auf unser «klar» meinte sie nur: «Hitzutags gset me küm meh jungi Liit eis jassu. Hüere geil!» Während die anderen über einen vermeintlich falsch ausgespielten «Buur» stritten, schweifte mein Blick aus dem Fenster. Draussen zog eine Nebelwolke durchs Tal, so dicht, dass man kaum den nächsten Laternenmast sah. Und da kam mir ein Gedanke, der Nebel passte irgendwie gerade: Wir haben kaum Geheimnisse voreinander, wir sehen uns öfter als Familie, Freunde, Partner. Aber die Karten bleiben geheim. Im Snowboardcross sind wir aufeinander angewiesen, als Trainingspartnerinnen in den Heats (wir fahren zu viert gleichzeitig, das muss auch im Training geübt sein) und als Support im Alltag. Auf dem Board vertrauen wir einander blind, denn ein Fehler hat oft auch auf andere Einfluss. Am Tisch dagegen dürfen wir bluffen, trumpfen, sticheln. Vier Spielerinnen, 36 Karten - und jede versucht, die anderen auszutricksen. Ich musste grinsen. Eigentlich ist es verrückt: Beim Snowboardcross haust du dich Schulter an Schulter mit 70 Stundenkilometern durch Steilwandkurven und über Sprünge und zweifelst keine Sekunde an der anderen. Aber gib ihr eine Jasskarte - und sie wird zur gefährlichsten Gegnerin. Misstrauen pur. Unsportlich sogar. Und das Beste: Wir geniessen es. Bei beidem braucht man Strategie, Nerven, Teamgeist und manchmal Glück. Nur, dass man beim Jassen keine Knochen bricht... Als ich wieder zu den Karten schaute, grinsten mich drei erwartungsvolle Gesichter an. «Bisch du drbi oder machsch grad es Fernstudium?», fragte eine. Ich schnappte meine Karten, legte einen Trumpf und meinte: «Sorry. Ha grad ä chliini Säubsterkenntnis gha.» Und irgendwie lief die Runde danach besser. Vielleicht, weil wir uns weniger ernst nahmen. Vielleicht, weil Jassen uns trainiert - Gelassenheit, Humor und die Fähigkeit, die Dinge nicht zu wichtig zu nehmen.