Alles Tiptopf!

Im Moment vergehen die Momente besonders schnell. Der Sommer hat sich beinahe verabschiedet und der Herbst kündigt sich mit den ersten Blättern an, die vom Himmel fallen. Ich stehe bereit mit einem Topf, einem Rüstmesser, einem «Brättli» und dem Tiptopf – mein erstes Kochbuch. Beim blossen Anschauen dieses Buches durchfluten mich vielfache, kleine Erinnerungszellen. Ich spüre den Stolz, den ich hatte, ein eigenes Kochbuch zu besitzen. Ich höre ein Kompliment von einer Lehrerin, wie sie mich für meine Salatsauce lobt. Ich sehe mich mit Mitschülerinnen im alten Coop in Langnau am Rechnen und Diskutieren und natürlich sehe ich Pyramiden vor meinem inneren Auge. Ich spüre Nervosität, Glück und Selbstständigkeit. Sofort erscheint eine Szene, in der ich und meine beste Freundin aus der Schulzeit unsere Gesangslehrerin zu einem selber gekochten «zNacht» à al Kochschule eingeladen hatten. Obwohl ich sonst nie mehr an diesen Moment denke, der mittlerweile zirka 22 Jahre in der Vergangenheit liegt, weiss ich sofort, dass wir für sie voller Hingabe und mit höchster Konzentration das chinesische Ananas-Poulet zubereitet haben, Tiptopf Seite 115. Aber Item. Ich stehe ja noch da, mit meinen Kochutensilien. Nicht mehr in Langnau. Nicht mal mehr im Emmental. Nicht mehr als Kind, sondern als Mutter. Ich befinde mich in der Küche in meinem «Daheime» im Berner Seeland mit diesem «tiptopfen» Stück Kindheit in den Händen. Ich bin gerade dabei, eine Lasagne zu kochen. Dazu schaue ich seit Jahren die Béchamel-Sauce in diesem Tiptopf-Buch nach, obwohl ich sie mittlerweile googeln könnte. Während ich also heute diese Lasagne koche, konzentriere ich mich auf den Geruch der Tomaten, die in diesem Jahr hier im Seeland in unserem Garten gewachsen sind, später von mir geerntet, gewaschen und geschnitten wurden. Ich beobachte nun fasziniert, wie sie beim Kochen eingehen. Wie sie ihren Geschmack dabei entfalten. Sie lassen sich verarbeiten, gehen mit dem Prozess mit, werden gesalzen, gepfeffert und alle möglichen anderen Beilagen werden beigefügt. Die Seeländer-Tomaten vermischen sich mit der Emmentaler-Béchamel-Erinnerungssauce. Aber «Jesses Maria», ich bin abgedriftet. Die Lasagne ist bereits im Ofen, ich sehe wie aus Sommer bald Herbst wird. Auch der Winter wird wohl wieder kommen. Ich blättere die Seiten der Vergangenheit, rieche am Gericht der Gegenwart und komme zum Schluss: «Im Moment ist alles Tiptopf, so wie es isst.»

E Guete!

11.09.2025 :: Fabienne Diessel-Krähenbühl