Fenster geputzt? Strasse gewischt? Eingekauft? Tannenbaum aufgestellt? Ach, es gibt ja so viel zu tun an
Heiligabend. Wer jetzt noch Geschenke braucht, steht besonders unter Druck. Zur Not tut es besonders für die Kleinen
auch ein Geldschein. Doch wo ist der nächste Geldautomat? In Signau gibt es keinen mehr. Letztes Jahr hatte ich die
Gans schon im Ofen und stellte kurz nach Ladenschluss fest, dass kein Rotkohl im Haus war. Kreisch. Im Achteck
spring. Verzweiflung. Es ist schon interessant, was heutzutage zum Leidensdruck führen kann. Gans ohne Rotkohl ist
wie
Ostern ohne Eier, oder so.
Den einen graut es davor, den Ex-Mann, die Schwiegermutter oder andere mühsame
Verwandte an Weihnachten treffen zu müssen.
Die anderen fürchten sich vor der Einsamkeit, die an Heiligabend
schwer wiegt wie eine Tonne. Kennen Sie das Lied «Allein, allein» von «Polarkreis 18»? Der Sänger der Band erzählte
mal in einem Interview, er bekomme an Konzerten immer eine Hühnerhaut, wenn die Fans den Refrain laut mitsängen.
Stellen Sie sich das mal vor. Tausende in der Halle singen gemeinsam «Allein, allein».
So fühlte ich mich Anfang
der 1990er-Jahre in meiner allein-erziehenden Zeit. Damals arbeitete ich im Spielzeugdetailhandel an der Hauptkasse.
Sie können sich denken, was da an Heiligabend los war. Dann schnell meine Töchter aus der Betreuung abgeholt, sie zu
Hause dazu verdonnert, in ihrem Zimmer zu bleiben, damit ich schnell den kleinen Baum schmücken, die letzten
Geschenke einpacken und kochen konnte. Dann kam die Bescherung. Leuchtende Kinderaugen beim Anblick des Baums,
reichlich Tränen, weil ich mit den Geschenken nicht ins Schwarze getroffen und die Schwester etwas Tolleres bekommen
hatte. Das war übrigens immer so, fragen Sie mich nicht, warum.
Gegen 21 Uhr war Schlafenszeit für die inzwischen
zufriedenen Kleinen. Und dann sass ich da: Allein, allein. Als ob jemand den Schalter umgelegt hätte. Erst lenkte
ich mich ab und räumte auf. Doch das Gefühl blieb. Letzter Ausweg: Glotze an. Auf allen Sendern jinglebellte es mich
an, bis ich bei einem US-Schwarz-Weiss-Film hängenblieb, der gerade anfing. Titel: «Ist das Leben nicht schön?» aus
dem Jahre 1946 mit James Stewart in der Hauptrolle. Die Handlung sog mich völlig ein und am Schluss heulte ich
wohltuend das Alleinsein weg. Seither muss ich immer an Weihnachten diesen Film schauen. Auch Ihnen möchte ich
dieses Meisterwerk ans Herz legen und wünsche Ihnen ein besinnliches Weihnachtsfest.
Ist das Leben nicht schön?