Der gedruckte Amtsanzeiger – ein Auslaufmodell?

Der gedruckte Amtsanzeiger –  ein Auslaufmodell?
Zwei der vier Amtsanzeiger, die im Emmental erscheinen, werden auf Ende Jahr eingestellt. / Bild: Silvia Wullschläger (sws)
Emmental: Der digitale Wandel macht auch von einer alten Institution wie den Amtsanzeigern nicht Halt. Nicht mehr alle bleiben bei der gedruckten Ausgabe. Manche aber schon – noch.

Seit Anfang 2023 kann jede Gemeinde selber entscheiden, ob sie ihre amt­lichen Bekanntmachungen wie zum Beispiel Baugesuche weiterhin in gedruckter Form in einem Anzeiger oder aber digital publizieren will. Das hat Folgen. So veröffentlichen die 16 Gemeinden des Anzeigers Region Bern – darunter die Stadt Bern – ihre amtlichen Mitteilungen seit Anfang Jahr nur noch digital. Einzig Stettlen bleibt beim Print. Der Gemeindeverband löste sich auf. Der Anzeiger
Region Bern wurde aber nicht eingestellt, sondern erscheint weiterhin, wenn auch in neuer Form als Regionalzeitung mit journalistischen Inhalten. Auch im Emmental kommt es nun zu Änderungen.


Immer weniger Umfang

Ende Jahr ist beim Anzeiger Burgdorf Lichterlöschen. Der Verwaltungsrat der AG, die zu 100 Prozent im Besitz der neun Gemeinden ist, beantragt der Generalversammlung vom Juni die Einstellung der Print-Ausgabe. «Eine Umfrage bei den Gemeinden hat gezeigt, dass dieser Weg begrüsst wird», erklärt Verwaltungsratspräsident Markus Grimm. In den letzten Jahren seien die Seitenzahlen Jahr für Jahr gesunken. Noch länger mit der Umstellung zu warten, bringe nichts. Nicht zu vernachlässigen seien auch die Kosten, welche Bauherrschaften für eine offizielle Publikation bezahlen müssten. «Ein Baugesuch, das zweimal erscheinen muss, kostet im Anzeiger 300 bis 400 Franken. Digital fallen nur Kosten von rund 20 Franken an», nennt Grimm ein weiteres Argument für die Umstellung auf die Plattform E-publikation.ch. 

Den Verantwortlichen ist bewusst, dass nicht alle Leute digital unterwegs sind. Diesen komme man entgegen, indem die Gemeinden ihre Mitteilungen künftig in der Gratiszeitung «D´ Region» publizieren könnten – gegen Bezahlung natürlich. «Das sieht dann zum Beispiel so aus, dass es zu Baugesuchen einen Zweizeiler gibt mit dem Hinweis auf die Online-Publikation, die rechtsverbindlich ist», erklärt Markus Grimm. Aber auch weitere Infos wie Strassensperrungen, Einladungen zu Gemeindeversammlungen oder der Kirchenzettel, die auf dem Internetportal nicht erscheinen, könnten auf diese Weise weiterhin allen zugänglich gemacht werden. «D´ Region» wird von der Medienzentrum GmbH herausgegeben, an welcher die Anzeiger Burgdorf AG beteiligt ist.


Wechsel zum Oberaargau

Auch der Anzeiger Trachselwald wird auf Ende Jahr eingestellt. Dies aber vor allem aus organisatorischen Gründen. Bei der Verwaltungsreform im 2010 wurden die alten Amtsbezirke aufgehoben und die Gemeinden in grössere Verwaltungskreise eingeteilt. Von den Gemeinden des Amtes Trachselwald gehörten fortan vier zum Oberaargau. Trotzdem publizierten sie ihre amtlichen Mitteilungen weiterhin im Anzeiger Trachselwald. Das sei bei den Bürgerinnen und Bürgern dieser Gemeinden je länger je mehr auf Unverständnis gestossen, weiss Niklaus Meister, Präsident des Gemeindeverbandes Anzeiger Trachselwald. «Deshalb wechseln die vier Gemeinden nun zum Anzeiger Oberaargau.» Sie läuteten damit das Ende des Anzeigers Trachselwald ein. Die vier Emmentaler Gemeinden Trachselwald, Sumiswald, Affoltern und Dürrenroth mussten schauen, wo sie ihre amtlichen Publikationen künftig veröffentlichen können. «Da sie mindestens vorläufig an der Print-Ausgabe festhalten wollen, fiel die Wahl auf den Anzeiger Oberes Emmental und nicht auf jenen in Burgdorf», erklärt Niklaus Meister. Der Beitritt der vier Gemeinden sei für «ihren» Anzeiger positiv, sagt Heidi Stalder, Präsidentin des Anzeigerverbandes Oberes Emmental. Das Einzugsgebiet werde dadurch grösser und gerade mit Sumiswald auch fürs Gewerbe attraktiver. Die vier Gemeinden würden sich in der einfachen Gesellschaft einkaufen. Das Kapital werde anhand der Einwohnerzahl festgelegt. Dasselbe gelte für den Gewinn, der bisher jedes Jahr, ausser während Corona, habe ausbezahlt werden können.


Mehr Vorteile für Print

Alle Gemeinden des Oberen Emmental hätten sich bei einer Umfrage für die Print-Lösung ausgesprochen, erklärt Heidi Stalder. «Unsere Leserschaft ist eher älter und längst nicht alle nutzen digitale Angebote. Zudem hat man nicht auf jedem ‹Hoger› Empfang», so die Argumente dafür. Ähnlich tönt es bei Christine Hofer, Präsidentin der Genossenschaft Anzeiger Konolfingen. Letzten September hätten sie sich mit Vertretern aller 24 Gemeinden getroffen. «Dabei kam klar zum Ausdruck, dass man an der Zeitung festhalten will.» Die Vorteile würden überwiegen. So diene der Anzeiger auch als Plattform für nicht amtliche Informationen etwa von Vereinen, Kirchgemeinden, vom Gewerbe, aber auch für Todesanzeigen. Ausserdem bedeute eine digitale Lösung ein Wechsel von der Bring- zur Holschuld. «Heute werden die Informationen den Leuten jeden Donnerstag auf dem Tisch serviert und sie sehen auch, was in der Nachbargemeinde läuft. Im Internet müssten sie diese Informationen aktiv holen», gibt Christine Hofer zu bedenken. Trotzdem: Sowohl Christine Hofer als auch Heidi Stalder sind sich einig: «Es kommt die Zeit, dass auch wir auf digital umstellen werden.»

22.02.2024 :: Silvia Wullschläger (sws)