Sehr geehrte Frau Teissier,
wie geht es Ihnen? Sind Sie noch in Ihrem
Metier tätig? Ich habe lange nichts von Ihnen gelesen. Früher war das anders. Jeweils pünktlich zum Jahreswechsel
schauten Sie mit versonnener Miene von der Titelseite der Illustrierten, die Mutter abonniert hatte.
«Star-Astrologin, Elisabeth Teissier, verrät, was uns die Sterne für das neue Jahr versprechen.» So oder so ähnlich
lautete jeweils die Schlagzeile. Vordergründig spottete ich über Ihren Artikel – was sollten die Himmelskörper
schon mit meiner Zukunft zu tun haben!? – aber im Geheimen las ich natürlich mein Horoskop auch. Wenn
die Sterne
Chancen auf ein aufregendes Liebesleben prophezeiten, gab das einem pickligen Teenager Hoffnung. Vielleicht war ja
doch etwas Wahres dran an der Sache mit den Sternzeichen. Wer kann das schon wissen?
Das ist nun schon eine Weile her. Ich
lese seit Jahren keine Horoskope mehr, nicht einmal heimlich. Doch nun bin ich in einer Situation, in der ich froh
um Ihre Hilfe wäre, liebe Frau Teissier. Anlass meines Briefes an Sie ist eine Kolumne, die ich für eine Regionalzeitung verfasse. Zum Auftakt ins neue Jahr würde ich den
Leserinnen und Lesern gerne einen optimistischen Ausblick präsentieren. Nun steht die Zukunft ja bekanntlich in
den Sternen. Mein Problem bei der Sache ist, ich weiss die Sterne nicht zu deuten. Ich bin kein Astrologe.
Astrolegastheniker trifft es eher. In den paar Punkten am Nachthimmel erkenne ich weder Stiere noch Steinböcke.
Für mich könnten das genauso gut Chinchillas und Kellerasseln sein. Aus diesen Konstellationen, kombiniert mit
Geburtstagen und Planetenbahnen, dann auch noch Prognosen für ein neues Jahr abzuleiten, das übersteigt meine
Fähigkeiten bei weitem. Ich lese bloss die Nachrichten, und aus denen rosige Aussichten heraus zuorakeln, ist seit jeher eher unglaubwürdig. In der Astrologie
hingegen, da lässt sich scheinbar immer irgendwo ein vielversprechendes Potenzial ausmachen. Stets besteht die
Wahrscheinlichkeit auf eine schicksalhafte Begegnung oder auf eine bedeutsame Veränderung. Und hier kommen Sie
ins Spiel, die Star-Astrologin der Nation. Hätten Sie mir nicht ein paar Insider-Infos? Ich würde diese dann
diskret in meine Kolumne einfliessen lassen, um meinen Leserinnen und Lesern ein wenig Hoffnung auf den Weg ins
neue Jahr mitzugeben. Einige könnten das sicher gut gebrauchen. Für Ihre Unterstützung danke ich Ihnen bereits
im Voraus. Ich wünsche Ihnen ein gutes neues Jahr.
Freundliche Grüsse
Pesche Heiniger