Rettet den Emmentaler!

Rettet den Emmentaler!
Am Samstag ging es los in Zäziwil: Das Eyweid-Team rollt einen echten Laib Emmentaler bis nach Winterthur. / Bild: Erhard Hofer (hol)
Emmental: Noch nie wurde so wenig Emmentaler AOP verkauft wie heute. Die Eyweid-Käserei in Zäziwil gibt mit einer PR-Aktion Gegensteuer: Sie rollt einen Käselaib quer durch die Schweiz.

«Wir wollen nicht jammern», sagt Lukas Liebendörfer. Vielmehr wolle man «auf positive Weise auf unser Anliegen aufmerksam machen». Und zeigen, «wie gut und wichtig unser Produkt ist.»

Liebendörfer arbeitet bei der Jumi AG, die in Zäziwil die Käserei Eyweid betreibt – eine von immer weniger Käsereien, die Emmentaler AOP herstellen. Existierten 1999 noch 519 Emmentaler-Produktionsbetriebe, sind es heute nur noch 95. Auch die produzierte Menge von Emmentaler AOP ist so tief wie noch nie: Sie ging innert zehn Jahren von gut 24´000 Tonnen pro Jahr auf unter 15´000 Tonnen zurück.

Dies will das Team der Käserei Eyweid der Bevölkerung bewusst machen. Deshalb lancierte es die Aktion «100 Kilo Emmentaler rollen». Innert acht Tagen rollt das Team einen Käselaib von Zäziwil nach Winterthur. Der Startschuss fiel Samstagmittag mit einem Fest bei der Käserei. Weiter ging es in Richtung Langnau, wo der Laib vor dem Tigers-Match – ohne auszurutschen – über das Eisfeld gerollt wurde, dann durch das Entlebuch, wo man unter anderem Schwingerkönig Matthias Sempach besuchte. In Luzern rollte der Käse über die Kappellbrücke, anschliessend führte die Route via Zug nach Zürich, wo das Rollteam heute Donnerstag unterwegs ist. Die Zielankunft beim Jumi-Verkaufsladen in Winterthur ist für Samstag geplant. Unterwegs gibts immer wieder Degustationen, laufend werden auch Videos und Bilder in den Sozialen Medien gepostet.

Mehrere Standbeine sind ein Vorteil

Die Aktion ist kreativ, lustig. Doch die Emmentaler-Krise ist ernst. Am grössten ist das Problem für jene Käsereien, die ausser Emmentaler AOP keine anderen Käsesorten herstellen. Sie dürfen bei weitem nicht die gesamte Milch, welche die Landwirte liefern, verkäsen – so gibt es die Sortenorganisation vor. In der Käserei Ilfis Langnau zum Beispiel geht aktuell fast ein Drittel der Milch in die Industrie, für diese Milch erhalten die Landwirte deutlich weniger Geld. So könne es auf die Dauer nicht weiter­gehen, erklärte der Präsident der Käsereigenossenschaft kürzlich gegenüber der «Wochen-Zeitung». Deshalb wurde die Ilfis-Käserei nun verkauft.

In Zäziwil hat die Eyweid-Käserei mehrere Standbeine. Hier wird weniger als die Hälfte der gelieferten Milch zu Emmentaler AOP verarbeitet. Daneben produziert das Eyweid-Team diverse Spezialitäten wie «Schlossberger», «Chisetaler» und «Aarewasser». Daher ist der Betrieb weniger abhängig von der Emmentaler-Krise.

Keine geschützte Marke

Doch warum wird aktuell so wenig Emmentaler AOC produziert wie nie zuvor? Die Frage geht an Urs Schlüchter, Direktor der Sortenorganisation Emmentaler Switzerland. Er blendet zurück. 1999, nachdem die Käseunion aufgehoben wurde, konnten die Käsereien nur noch so viel Emmentaler AOC produzieren, wie auf dem Markt nachgefragt wurde. Das führte zu einem massiven Rückgang. Beim Export wirken sich auch das hohe Schweizer Preisniveau und der starke Franken negativ aus. Zudem hat die Sortenorganisation 2020 sowie 2022 die Verkaufspreise zweimal erhöht – damit habe man die Wertschöpfung steigern können, andererseits sei die verkaufte Menge gesunken, so Schlüchter.

Denn die Konkurrenz aus dem Ausland ist gross. In Frankreich, Deutschland und vielen anderen Ländern gibt es Grosskäsereien, die ihr Produkt ebenfalls als «Emmentaler» verkaufen dürfen. Sie unterliegen weniger strengen Vorgaben als die Produzenten des originalen Emmentaler AOP. Bei diesem darf zum Beispiel die Distanz zwischen Milchlieferant und Käserei maximal 20 Kilometer betragen, die Milch muss innert 24 Stunden verarbeitet werden, die Kühe haben mehr Auslauf und der Käse muss vor dem Verkauf mindestens vier Monate gelagert werden. Der Zusatz «AOP», den das Original dafür tragen darf, fällt vielen Konsumentinnen und Konsumenten nicht auf. Sie sehen einzig, dass das Original deutlich mehr kostet als die Kopien.

Die Sortenorganisation gelangte vor das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg, wollte die Marke «Emmentaler» besser schützen lassen. Das Gericht lehnte dies ab. Begründung: In der EU werde Emmentaler als Käsesorte wahrgenommen – und nicht als geografische Herkunftsangabe.

Ein nationaler Käsetag

Urs Schlüchter von der Sortenorganisation will nicht hadern, sondern nach vorne schauen. Klar sei: Emmentaler AOP müsse auch bei jungen Menschen wieder vermehrt auf den Einkaufszettel kommen. Bei dieser Zielgruppe ging der Absatz kontinuierlich zurück. Deshalb wurde unter anderem die Kampagne «Share a piece of you» lanciert. In Videos erzählen Bauern, Käserinnen und Händler ihre Geschichten, die den Emmentaler AOP insbesondere der Generation der Millennials näherbringen soll.

Ein Marketinginstrument ist auch der erste Emmentaler-AOP-Tag. Am 4. November öffnen rund 50 Dorfkäsereien ihre Türen, bieten Degustationen, Kinderunterhaltungen, Gewinnspiele und einiges mehr. Das Ziel ist das gleiche wie bei der Roll-­Aktion: Den Emmentaler AOP in aller Leute Munde bringen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

26.10.2023 :: Markus Zahno (maz)