Ein Hof mit einer bewegten Geschichte

Ein Hof mit einer bewegten Geschichte
Der Hof «Vorder Weg» soll abgebrochen werden. An seiner Stelle ist ein – sehr ähnlicher – Neubau geplant. / Bild: zvg
Trubschachen: Am Hof «Vorder Weg» entzündete sich vor 100 Jahren ein denkwürdiger Streit zwischen Trubschachen und Trub. Nun soll das baufällige Haus von Grund auf neu erstellt werden.

Vor einigen Jahren hat der Markus Anliker in Trubschachen den Hof «Vorder Weg» erworben. Dazu gehören vier Hektaren Wiesen- und Weideland sowie neun Hektaren steiler Wald. Das Bauernhaus selber und seine nächste Umgebung liegen in der Bauzone.

Anliker hat die Investition getätigt, weil er sich auch in seinem Pen­sioniertenleben sinnvoll betätigen möchte. Sein Ziel ist, eine kleine Siedlung zu erstellen, in der naturnah gelebt und gearbeitet werden kann. «Mit den Bewohnern zusammen etwas von den Ideen der Permakultur zu realisieren, ist meine Vision», erzählt er. Auf dem Hof sollen auch weiterhin Kleintiere gehalten werden. Doch die Bausubstanz ist schlecht. Damit das Haus weiterhin bewohnt werden kann, soll der Wohnteil – mit sehr ähnlichem Aussehen – von Grund auf neu erstellt werden.


Diverse Auflagen

Das Haus ist im kantonalen Bauinventar als erhaltenswert eingestuft. Entsprechend gilt es bei einem Neubau die Vorgaben der Denkmalpflege einzuhalten. «Von aussen gesehen wird es mehr oder weniger eine Kopie des heutigen Hauses sein», sagt Markus Anliker. Östlich davon soll anstelle des baufälligen Schopfes ein schmucker Wohnstock mit mehreren Wohnungen und Werkstatträumen entstehen. Diese Nutzung wie auch die Tierhaltung im Bauernhaus erfordern eine leichte Anpassung der Bauvorschriften. Im Untergeschoss des Neubaus sind Parkmöglichkeiten für die ganze Siedlung vorgesehen. Auf der Westseite des Bauernhofs sollen dereinst kleine Wohneinheiten ebenfalls aus Holz entstehen. Durch die 2023 geplante Verbauung es Weggräblis mit einem grossen Kiessammler scheint eine Überschwemmungsgefahr gebannt. Die Gefahr von Hangrutschen wurde durch den Holzschlag und die damit erzielte Waldverjüngung und Verkleinerung des Hangdruckes ebenfalls minimiert.

Noch bis am 13. Februar liegt die Zonenplanänderung und der Überbauungsplan  in der Gemeindeschreiberei Trubschachen auf. Im Juni wird an der Gemeindeversammlung darüber abgestimmt. Für Gemeinderat André Chevallaz ist klar, dass Markus Anliker für dieses Projekt ein Glücksfall sei. «Wir sind froh um Leute, die Ideen haben und diese mit Begeisterung realisieren wollen. Wer sonst wäre schon bereit, 800 Quadratmeter Bauland ohne Entschädigung auszonen zu lassen?»


1922 bis vor den Grossen Rat

Der Hof «Vorder Weg» gehört zu den ältesten Heimwesen der Gemeinde Trubschachen. Der Name verrät, dass hier vor dem Bau der Brücken der Karrweg nach Trub vorbeiführte. Vor genau 100 Jahren entzündete sich an diesem Heimwesen ein massiver Streit zwischen den Gemeinden Trub und Trubschachen, der bis vor den Grossen Rat ausgetragen wurde. Mit einer Unterschriftensammlung zuhanden des Regierungsrates versuchten einflussreiche Bewohner von Trubschachen zu erreichen, dass die Grenzen ihres Dorfes erweitert würden. Bis 1922 stiessen nämlich mitten im Dorfkern die drei Gemeinden Langnau, Trub und Trubschachen aneinander, was die Realisierung gewisser Projekte erschwerte und verzögerte. Langnau war sofort bereit, das Gebiet vom Mauerhoferhaus bis in den Schärischachen abzutreten. In Trub aber regte sich Widerstand – wegen des «Vordern Weges» und der dazugehörigen Wegmatte, wo die Gemeinde Trubschachen ihr Entwicklungspotenzial sah.

Zwar waren die früheren Bewohner des Hofes seit jeher mit Trubschachen verbunden, besuchten hier die Schule und den Gottesdienst oder lieferten ihre Milch in der Käserei ab. Doch dann kam ein neuer Besitzer: Christian Baumgartner, aus Fankhaus zugezogen, war mit Haut und Haaren Truber und wehrte sich mit allen Mitteln dagegen, ein «Schächeler» zu werden. Er holte sich die Unterstützung des damals einflussreichsten Emmentaler Politikers, National- und Grossrat Fritz Siegenthaler. Doch auch dies fruchtete nicht. Der Grosse Rat entschied im November 1922, dass der Vorder Weg zu Trubschachen gehört.

Die Besitzerfamilie Baumgartner gewöhnte sich schliesslich an den neuen Zustand. Bäuerin Elisabeth Baumgartner wurde eine bekannte Schriftstellerin. Und ihre Bühnenstücke wurden fast ausnahmslos im ­«Bären» Trubschachen uraufgeführt.

26.01.2023 :: Rudolf Trauffer (rtt)