Das neuste Kapitel heisst: «Fast abgerissen»

Das neuste Kapitel heisst: «Fast abgerissen»
Mit einem Bagger wurden die Abbrucharbeiten begonnen, aber nicht beendet. / Bild: Gody Studer (gse)
Escholzmatt: Das Brüggerhaus wird dereinst abgerissen werden können – aber laut geltendem Recht erst, wenn die Bewilligung für den Ersatzbau vorliegt. Nun verlor der Bauherr die Geduld.

«Es geht einfach zu lange, bis wir die Baubewilligung haben. Deshalb haben wir nun gehandelt», sagt Peter Portmann. Der Architekt hat das Gebäude an der Gigenstrasse im Zen-
trum des Dorfes Escholzmatt vor rund einem Jahr erworben mit dem Ziel, an der Stelle einen Neubau zu realisieren. Mit «gehandelt» meint er: Vergangene Woche ist beim Gebäude ein Bagger vorgefahren mit montierter Greifzange. Damit haben Arbeiter begonnen, das Holzhaus abzureissen – trotz fehlender Abbruchgenehmigung. Nach wenigen Stunden habe das regionale Bauamt einen Abbruchstopp verfügt, wie der «Entlebucher Anzeiger» meldete. Die Ruine sei später noch gesichert und rundherum aufgeräumt worden. Der Rest, rund ein Viertel des Gebäudes, steht noch. 

«Sicherheit höher gewichtet» 

Als routinierter Architekt musste Peter Portmann bewusst sein, dass der faktisch illegale Abriss nicht goutiert werden würde. Warum hat er die Arbeiten dennoch in Auftrag gegeben? «Wir haben die Vor- und Nachteile abgewogen und die Sicherheit höher gewichtet als das Einhalten der Bauvorschriften», erklärt Portmann auf Anfrage. Bei jedem stärkeren Wind befürchte er, dass Teile des 1790 erstellten Gebäudes, das seit Jahren leer steht, auf die nahe Strasse fallen und Passanten verletzen könnten. 

Portmann hatte im August 2020 ein Abbruchgesuch eingereicht und im November das Baugesuch für den Neubau folgen lassen (die «Wochen-Zeitung» berichtete). 

Bewilligungsfähiges Gesuch nötig

Das Gesuch für den Abriss des denkmalgeschützten Gebäudes könne laut kantonalem Planungs- und Baugesetz erst genehmigt werden, wenn ein bewilligungsfähiges Baugesuch vorliege, hatte die kantonale Denkmalpflege festgehalten. «Dank dieser Regelung werden jahrelange Baulücken verhindert.» Dass das Brüggerhaus abgerissen werden kann, ist hingegen klar, in diesem Punkt sind sich die Bewilligungsbehörde und der Bauherr einig. 

Uneins sind sich der Bauherr und die Denkmalpflege beim Vorgehen für einen Ersatzneubau. Das Brüggerhaus ist im Inventar der Denkmalpflege als «erhaltenswerts K-Objekt» eingetragen. Zudem befindet es sich im  Dorfkern, welcher im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (Isos) vermerkt ist. «Daher ist aus unserer Sicht ein qualitätssicherndes Verfahren nötig», hielt die zuständige Gebietsdenkmalpflegerin Meret Speiser Ende Februar fest. 

Die kantonale Denkmalpflege hat daraufhin die Eidgenössische Kommission für Denkmalpflege sowie die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission eingeschaltet. Vertreter der beiden Gremien haben das Brüggerhaus, dessen Umgebung und das Dorf am 25. März besichtigt. Mit welchem Resultat? «Ich weiss nicht, wie das nun weitergeht», sagt Peter Portmann. Nach seinen Informationen tage die Kommissionen ungefähr alle zwei Monate. Wann das Brüggerhaus traktandiert ist, könne er aber nicht sagen. Portmann: «Es kann also noch Monate dauern, bis wir Klarheit haben, wie es weitergeht. Deshalb habe ich nun gehandelt.»

«Wir wären jetzt sehr weit»

Meret Speiser von der Denkmalpflege erklärt, dass die Kommissionen einen Bericht ausarbeiten werden. «Die Kernfrage dabei ist, ob die Forderung nach einem qualitätssichernden Verfahren gerechtfertigt ist.» Wann dieser Bericht vorliegen wird, kann auch Speiser nicht genau sagen. Hat sie etwas Verständnis, dass dem Bauherrn der Geduldsfaden gerissen ist? «Es ist verständlich, dass der Bauherr das Haus rasch abreissen möchte», sagt Meret Speiser. «Wenn er sich von Anfang an bereit erklärt hätte, ein qualitätssicherndes Verfahren durchzuführen, wäre die Planung für das Neubauprojekt schon weit und eine Abbruchbewilligung wahrscheinlich in greifbarer Nähe.»

15.04.2021 :: Bruno Zürcher (zue)