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Wo drückt der Schuh?

Erinnern Sie sich an Bartimäus, wie der berühmte Bibelgeschichtenmaler Kees de Kort ihn darstellte? Sein Gesicht feuerrot, der offene Mund ein schwarzes Loch, Augen und Nase nur angetönt, auffällig die weisse Augenbinde. Seine Hände über den Ohren, schreit der Blinde, so laut er kann. Als Kind hat mich diese Verausgabung beeindruckt und verstört. Auch in der Geschichte wird beschrieben, dass Bartimäus´ Geschrei den Leuten rundherum peinlich war und sie ihm befahlen, still zu sein. Anders der jüdische Wanderprediger Jesus, der ihn zu sich holen liess. Er fragte ihn: «Was willst du, dass ich dir tue?» (Lukas 18,41) Bartimäus wünschte sich das Augenlicht zurück. Versetzen Sie sich in den vormals Schreienden – ohne Augenbinde, Ihr Schuh drückt vielleicht an einem anderen Ort. Ist dies nicht ein wohltuender Gesprächseinstieg? Niemand entscheidet von oben herab, was Sie jetzt gerade brauchen. Sie dürfen sagen, wo es weh tut oder was Ihnen auf dem Herzen liegt. Für die Arbeit mit meinen Paaren und Familien heisst dies, dass ich mich konsequent an deren Bedürfnissen orientiere. Natürlich bringe ich meine Erfahrung ins Spiel und rate auch mal von gewissen Wünschen ab. Niemals aber würde ich den Menschen vorgeben, wie sie einen Festtag für sich und ihre Liebsten zu gestalten haben. So hat zum Beispiel ein zukünftiger Bräutigam verlangt, dass die Trauung nicht in der Kirche stattfindet, weil die Erinnerung an die Beerdigung seines kürzlich verstorbenen

Vaters noch zu schmerzhaft ist. Oder eine Familie hat gewünscht, dass ihr verstorbener Erstgeborener an der Taufe der Zweitgeborenen mit Worten und Gesten dabei sein darf. Es stimmt mich zuversichtlich, dass auch viele Pfarrpersonen gewillt sind, die Bedürfnisse der Menschen ernst zu nehmen. In Zeiten wie diesen mehr denn je.

04.03.2021 :: Susanne Kühni (ksl)