Eine Saison voller Fragen, die auch Antworten liefern wird

SCL Tigers: Heute beginnt die Meisterschaft mit den ungewöhnlichsten sportlichen und wirtschaftlichen Vorzeichen seit der Einführung der Nationalliga vor 83 Jahren.

Die Corona-Pandemie hat sehr vieles verändert, auch im Eishockey. Die Saison 2020/21, welche für die SCL Tigers heute in Lausanne beginnt, gleicht einer Fahrt ins Blaue. Einer Fahrt ins völlig Unbekannte, in Wochen und Monate voller Ungewissheiten, für die es noch keinerlei Erfahrungswerte gibt. Seit dem Ausbruch der Krise hat man vor allem eines gelernt: Was heute ist, kann morgen schon anders sein. Dennoch, im sportlichen Bereich muss damit gerechnet werden, dass das Leistungsgefälle unter den zwölf Mannschaften wieder grösser ist, als in den vergangenen Jahren. Und wirtschaftlich, das steht jetzt schon fest, wird die Saison für die Klubs wegen der zahlreichen Einschränkungen mit einem Verlustgeschäft in noch unbekannter Millionenhöhe enden.

Wer packt die neue Chance?

Die Corona-Krise kann zwar sehr viel, aber eine gewisse Spannung kann sie im sportlichen Bereich trotzdem nicht verhindern. Die Saison voller Fragen wird zweifellos auch einige aufschlussreiche Antworten liefern. Für die SCL Tigers beginnt nach vier erfolgreichen Jahren unter dem dänischen Headcoach Heinz Ehlers ein neues sportliches Kapitel. Die Mehrheit der Mannschaftsverantwortlichen ist neu. Ehlers ist durch seinen bisherigen Assistenten Rikard Franzén ersetzt worden und Nik Hess ist als Athletiktrainer zurückgekehrt. Die neue rechte Hand von Franzén ist Ehlers’ Landsmann Jens Nielsen. Dusan Sidor, der Ivars Punnenovs und Damiano Ciaccio zu einem der stärksten Torhüterduos der National League ausgebildet hat, ist nach sieben Saisons durch Viktor Alm, Goaliecoach der schwedischen U17-Nationalmannschaft, ersetzt worden. Und neuer Sportchef anstelle von Marco Bayer ist Marc Eichmann. Neue Führungskräfte, neue Ideen. Welche Auswirkungen hat dies auf die Mannschaft, ist eine der interessanten Fragen. Oder: Wie schlägt sich das Team ohne Harri Pesonen, Chris DiDomenico, Aaron Gagnon, Eero Elo und Torhüter Damiano Ciaccio? Spieler dieser Qualität sind nicht von einem Tag auf den andern zu ersetzen. Dafür ergibt sich für den einen oder andern Schweizer die nicht so schnell wiederkehrende Chance, in der Hierarchie des Teams aufzusteigen. Sie müssen neue Rollen, beispielsweise im Power- und Boxplay, übernehmen und mehr Verantwortung tragen. Junge Spieler wie In-Albon, Sturny, Salzgeber, Weibel, Guggenheim, um nur einige zu nennen, sollten mehr Spiele und Eiszeit erhalten. 

Ziel müssen die Vorplayoffs sein 

Corona hat auch Modusänderungen zur Folge. Es wird im Vergleich zur letzten Saison wieder einen Meister, aber keinen Absteiger geben. Und erstmals werden Vorplayoffs durchgeführt. Die nach der Qualifikation auf den Plätzen 1 bis 6 liegenden Mannschaften sind direkt für die Playoffs qualifiziert. Die Teams auf den Positionen 7 bis 10 kämpfen in Best-of-3-Serien um die restlichen zwei Viertelfinalplätze. Für den Elften und Zwölften ist die Meisterschaft nach der Qualifikation zu Ende. Das Ziel der SCL Tigers ist klar: die zusätzliche Playoffchance über den Umweg der Vorplayoffs nutzen. Ein weiterer interessanter Aspekt auf ihrer Fahrt ins Blaue.

Das «Okay» von Ottawa und San José

Die SCL Tigers können zu Meisterschaftsbeginn lediglich einen fitten und in Form befindlichen Ausländer einsetzen – den kanadischen Mittelstürmer Ben Maxwell. Der in drei Vorbereitungsspielen vorgenommene Belastungstest mit Robbie Earl ist negativ ausgefallen. Der Amerikaner leidet immer noch unter den Folgen einer schweren Gehirnerschütterung. Aus diesem Grund haben sich die Verantwortlichen der SCL Tigers entschlossen, auf dem Transfermarkt Ausschau nach ausländischen Spielern zu halten. Im Vordergrund stehen die Verpflichtungen des 21-jährigen schwedischen Offensivverteidigers Erik Brännström (Ottawa) und des ein Jahr älteren dänischen Topskorers Joachim
Blichfeld (San Jose). Beide haben mit ihren NHL-Klubs einen noch bis 2021 laufenden Vertrag und werden je nach Beginn der NHL- oder AHL-Saison nach Nordamerika zurückkehren müssen. Ottawa und San José sind interessiert daran, dass ihre Zukunfts-hoffnungen zu Spielmöglichkeiten kommen, aber das Okay haben sie bisher noch nicht gegeben. 

01.10.2020 :: Werner Haller (whz)