Frauen verschiedener Generationen im Emmental während des Zweiten Weltkriegs – Fritz Bohnenblust fotografierte ländliches Alltagsleben. / Bild: zvg
Heimisbach: Wo einst Simon Gfeller zur Schule ging, erzählen Fotos und Objekte vom ländlichen Alltag vor 100 Jahren. Damals fotografiert von Lehrer Fritz Bohnenblust.
Thal ist mit dem Bus erreichbar. Die Fahrt in der weitläufigen Gemeinde Trachselwald führt hinaus in eine Landschaft, die einst Dürrgraben genannt wurde. Allerdings wurde die dortige Poststelle im Jahr 1968 zum 100. Geburtstag von Simon Gfeller nach dessen erstem Buch in Heimisbach umbenannt. Mit träfem Berndeutsch erzählte der Schriftsteller schon damals nicht nur von «bluemete Trögli», und er sprengte mit seinen Texten das provinzielle Denken. Wo er zur Schule ging, wirkte auch Fritz Bohnenblust: von 1918 bis 1951 als Lehrer an der Oberstufe. Nun ist der Fotograf selbst in den ehemaligen Schulstuben das Hauptthema – das Simon Gfeller Museum lädt bis im Herbst zur Sonderausstellung über den engagierten Kulturförderer (siehe Kasten).
Die ländliche Welt im Blick
Fritz Bohnenblust stammte aus einfachen Verhältnissen und verlor früh seine Eltern. Er wuchs bei seiner Stiefmutter auf und besuchte die Sekundarschule in Langenthal und das Lehrerseminar Muristalden in Bern. Der Erste Weltkrieg ging zu Ende, als er seine erste Stelle im Schulhaus Thal antrat, wo er bis nach dem Zweiten Weltkrieg unterrichtete. Als Reformpädagoge führte er den Gesamtunterricht ein. Die Fotografie sah er als Instrument der Bildung und richtete im Schulhaus eine Dunkelkammer ein. Er dokumentierte den Schulalltag von der Fensterputzete bis zum Schultheater, fotografierte die Bauern bei der Arbeit und ihre ländliche Lebenswelt. Nebenbei hielt er Lichtbildvorträge, zeigte Filme und engagierte sich in Gemeinde und Kirche. In seinem Dorf widerspiegelten sich die grossen Themen der Welt.
Offen für Medien
Die Sonderausstellung gibt Hinweise auf die damaligen Herausforderungen und zeigt Fotos und Objekte dazu. In jedem Dorf wurden Internierte untergebracht – sie kamen etwa aus Polen während den Kriegswirren ins stille Emmental, wo sie von freiwilligen Frauenkomitees betreut wurden. Als die Rohstoffe ausgingen, wurden Fahrzeuge auf Holzvergaser umgerüstet und Schulkinder sammelten in einer Aktion tonnenweise «Tannzapfen statt Kohle». Jungbauern kämpften politisch für eine gesellschaftliche Umwälzung. Fritz Bohnenblust betreute deren Versandbibliothek mit tausenden von Büchern und schickte aus dem Estrich des Schulhauses anregende Lektüre im Land herum. Offen für die Medien, wurde Fritz Bohnenblust im Kampf gegen Alkoholismus und für die Verbreitung des Süssmostes zum Redaktor der Zeitschrift «Vorspann». Über den Erfolg des Radios schrieb er 1952, was für den Umgang mit Medien heute noch gilt: «Der Mensch darf daher ihre mächtige Flut nicht kritiklos über sich ergehen lassen. Daher kann als erstes Gebot für den Radiohörer gelten: Lerne auswählen! Auch der Bauer muss wissen, welche geistige Kost ihm selber und seinem Hause zuträglich ist. Das bedingt bewusste Erziehungs- und Schulungsarbeit.»
Bohnenblust der Beobachter
Die Begegnung mit Bohnenblust als Beobachter fasziniert den Ausstellungsmacher Jürg Rettenmund von der Simon Gfeller Stiftung: «Zu einer Zeit, als es noch keine Foto-Flut gab, hat Bohnenblust Bilder vom Alltag gemacht, die uns heute Geschichte erzählen.» Passend dazu hat der Historiker und ehemalige Redaktor der «Berner Zeitung» mit einfachen Mitteln und spannenden Texten aus den alten Fotos und ausgewählten Objekten eine Ausstellung zum Verweilen geschaffen. 1951 wurde Bohnenblust zum Leiter einer Rehabilitationsstätte für Strafentlassene in Gelterkinden. Später war er erneut Lehrer, in Faulensee und für die Basler Mission in Kamerun. Die letzten Lebensjahre verbrachte er mit seiner Frau Rösi Bohnenblust-Beutler in Merligen.