Der Schwörtag Herrschaftsritual und Volksfest

Der Schwörtag Herrschaftsritual und Volksfest
Auf diese ­Urkunde von Herzog Rudolf von Habsburg aus dem Jahr 1358, eine Art Freiheitsbrief, bezogen sich die Entlebucher im Bauernkrieg von 1653. / Bild: Ruedi Emmenegger (ers)
Entlebuch: Anschaulich schil­derte der Referent an der Tagung des Historischen Vereins, wie ein Schwörtag zelebriert wurde. Im Entlebuch fanden diese vom Mittelalter bis 1798 statt.

An einem Samstag Ende September in Schüpfheim: Mit Musik und Salutschüssen werden die berittenen Landvögte aus Luzern zum Schwörtag empfangen. Am Sonntag startet die Zeremonie nach dem Gottesdienst. Sobald sich das Volk auf dem Huldigungsplatz versammelt hat, ziehen die Landvögte ein, gefolgt von den Pfarrherren, den Kapuzinern und den Geschworenen mit Fahnen und Musikanten. Es folgt die Verabschiedung des alten und die Begrüssungsrede des neuen Landvogts, das Vorlesen der exakt festgelegten Schwörtagsordnung mit über 40 Artikeln und der Gehorsamseid der Entlebucher Männer gegenüber der Luzerner Obrigkeit. Bei der feierlichen Wahl der Landesämter (Bannermeister, Landeshauptmann, Landesfähnrich) gemäss Vorschlag der Herrschaft und der Wahl der 40 Geschworenen (Räte und Richter in den Ämtern Entlebuch, Schüpfheim und Escholzmatt) müssen sich die nicht wahlberechtigten Hintersässen niedersetzen. Mit einem seltsamen Wettrennen der Mädchen um wollene Winterstrümpfe und der Verabschiedung der Vögte klingt der dreitägige Anlass am Montag aus.


In ruhigen und stürmischen Zeiten

So beschreibt das Zeremonialbuch der Stadt Luzern 1696 den Ablauf der barock anmutenden Schwörtage im 17. Jahrhundert. Im Entlebuch fanden sie im Sinn der Friedenssicherung vom späten Mittelalter bis zum Franzoseneinfall 1798 statt, zuerst jährlich und später alle zwei Jahre, in der letzten Phase allerdings mit halbherzigen Abstrichen, wohl unter dem Einfluss der Aufklärungsidee und aus handfesten Spargründen. In seinem Referat zum Thema Schwörtag konnte Andreas Ineichen als Bearbeiter der Entlebucher Rechtsquellen-Edition vor dem Historischen Verein Entlebuch aus dem Vollen schöpfen. Nebst allgemeinen Bemerkungen zum Schwören sowie der Schilderung der Vorbereitung und des Ablaufs der Schwörtage ging er auch auf die Huldigungsverweigerung ein. Als besonders unsichere Zeit bezeichnete er die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts, die 1653 im Bauernkrieg gipfelte. Da die Obrigkeit neue Steuern und Abgaben erhob und gesetzliche Einschränkungen einseitig verfügte, verweigerten die Entlebucher Eid und Gehorsam. Nach der Niederlage der Bauern beruhigte sich das Verhältnis zwischen Obrigkeit und Untertanen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.


Herrlichstes Volksfest?

In den Augen des Escholzmatter Pfarrers Franz Josef Stalder (1757–1833) war der Schwörtag «der Nationalfeste herrlichstes». Seine verklärende Beschreibung im Buch «Fragmente über Entlebuch» lobt die Musik und die farbenprächtigen Uniformen, Trachten und Fahnen, unterschlägt aber die zentrale Schwörtagsordnung mit den zahlreichen Verboten und Geboten. Laut Andreas Ineichen galt Stalders Interesse weniger der Geschichte als dem Brauchtum: «Möglicherweise müssen wir Stalders Text (...) als Programm lesen: als Aufforderung, den alten Schwörtag zu einem Bundesfest umzuwandeln, bei dem das Volk im Zentrum stand.» Mit der Helvetik wurden aber die Untertanen zu Bürgern mit politischen Rechten. Damit blieb auch der Schwörtag als Volksfest Nostalgie.


Prominente Stimmen

Zur Einleitung des Hauptreferats überbrachte Justiz- und Sicherheitsdirektorin Ylfete Fanaj Grüsse der Luzerner Regierung. Staatsarchivar Jürg Schmutz sprach zum derzeitigen Stand der Rechtsquellen-Edition im Kanton Luzern. 

Lukas Gschwend, Präsident der Rechtsquellenstiftung, würdigte seinerseits die schweizweit 150 erschienenen Bände als Sammlung rechtlicher Regulierungen. Sie seien für Historiker aller Gattungen interessant, hielt Gschwend fest. Die beiden neuen Rechtsquellen-Bände sind im Schwabe Verlag Basel/Berlin erschienen und auch digital zugänglich. Je ein Exemplar ist ab sofort im Heimatarchiv und in der Bibliothek in Escholzmatt sowie in der Regionalbibliothek Schüpfheim zugänglich.

17.04.2025 :: Ruedi Emmenegger (ers)