In der Musikschule am Technotrack tüfteln

In der Musikschule am Technotrack tüfteln
Aus Audiomaterial wird ein Song: Nadja Siegenthaler experimentiert, Merlin Cornu gibt Tipps. / Bild: Regine Gerber (reg)
Langnau: An der Musikschule Oberemmental wird seit kurzem ein ungewöhnliches Fach angeboten: Ein erfahrener Musikproduzent unterrichtet Jugendliche in «Beats, Producing und DJ».

Ein Bildschirm und ein Laptop, ein kleines Einspielkeyboard und ein Mikrofon; mehr braucht Nadja Siegen-thaler heute in ihrer Musikstunde nicht. Die 9.-Klässlerin arbeitet an einem Technotrack. «Fehlt noch ein Bass am Anfang?», fragt sie Lehrer Merlin Cornu. «Versuch einmal dieses Sample», ergänzt er. Die junge Frau tippt ein Element im Programm an und zieht es in die entsprechende Tonspur. «Das baut Stimmung auf», nickt sie zufrieden. Nadja Siegenthaler nimmt Unterricht in einem Fach, das die Musikschule Oberemmental seit diesem Semester neu anbietet: «Beats, Producing und DJ». Hier dreht sich alles um elektronische Musik. Es werden Melodien komponiert, Arrangements entwickelt, Instrumente aufgenommen und Sounds bearbeitet. Schliesslich wird abgemischt und gemastert; die Stücke bekommen den letzten Feinschliff. Und man kann auch DJing lernen, also Musik live zu mixen.


Ein zeitgemässes Fach

Elektronische Musik gehört bisher nicht zum Standardangebot von Musikschulen. Merlin Cornu, der selbst seit vielen Jahren als Produzent tätig ist (siehe Kasten), will das ändern und hat ein Unterrichtskonzept entwickelt. «Ich möchte Kinder und Jugendliche für die Musikproduktion begeistern und gebe mein Wissen gerne weiter», sagt er. Dass er nun im Schlössli der Musikschule Oberemmental mit seiner Schülerin an einem Technotrack tüftelt, hat auch mit Schulleiter Ueli Kipfer zu tun. Als Merlin Cornu nämlich sein Konzept allen Musikschulen im Kanton Bern anbot, war die hiesige Musikschule eine von nur zwei Institutionen, die bereit war das Experiment zu wagen. «Wir haben schon länger darüber nachgedacht, etwas im Bereich der elektronischen Musik anzubieten», erklärt Ueli Kipfer. Auch eine Musikschule müsse sich mit der Gesellschaft weiterentwickeln. «Dieses Fach passt hervorragend zu zeitgemässem Musikunterricht», ist er überzeugt. Merlin Cornu ergänzt, dass sich Musikproduktion gut mit klassischen Instrumenten kombinieren lasse. So könne zum Beispiel ein Klavier, eine Gitarre oder Gesang als Tonspuren aufgenommen und mit elektronischen Elementen ergänzt werden. «Das ermöglicht spannende Projekte mit anderen.»


Gefragt ist Kreativität

Aber was braucht es, um in der Musikproduktion durchzustarten? «Vor allem Freude an der Musik und Lust am Ausprobieren, wie man sie verändern kann», sagt Merlin Cornu. Für den Einstieg sei wenig Equipment nötig. «Es wurden schon professionelle Alben nur mit Laptop und Gratis-Software produziert», fügt er an. Ein wenig technikaffin zu sein könne zwar nicht schaden, aber die Programme liessen sich lernen. «Viel wichtiger ist Kreativität.» Daran mangelt es Nadja Siegen­thaler nicht. Inzwischen bastelt sie an einer Bridge. So nennt man den Übergang, der einen Teil des Songs mit dem anderen verbindet. «Ich habe immer ganz viele Ideen, weiss aber nicht wie ich sie umsetzen kann», sagt die Schülerin. Merlin Cornu steht ihr mit Fachwissen und Inputs zur Seite. Er versuche sich aber mit seiner Vorstellung vom perfekten Track zurückzuhalten. «Mir ist wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler ihre eigenen Visionen umsetzen können», erklärt er, «ich sehe mich als Coach auf Augenhöhe.»

Professioneller Musikproduzent

Merlin Cornu ist ursprünglich diplomierter Tontechniker. Das Wissen rund um die Musikproduktion hat sich der 41-Jährige autodidaktisch angeeignet, mittlerweile hat er über 25 Jahre Erfahrung. Als Produzent war und ist der Berner in verschiedensten Genres unterwegs; von Hip-Hop Kollaborationen mit Chlyklass, FHG oder Steff la Cheffe über Afrobeats mit Murphy bis hin zu internationalen Projekten. Bereits mit 14 Jahren trat Cornu als Hip-Hop-DJ auf. An der Streetparade 2013 wurde er für den innovativsten Technotrack ausgezeichnet.

17.04.2025 :: Regine Gerber (reg)