Bei einem Waldspaziergang entdecke ich auf einem Wurzelstock einen roten, zugeknoteten Plastikbeutel. Säcklein dieser Art benützt man üblicherweise, um das Geschäft des vierbeinigen Lieblings sachgerecht zu entsorgen. Unwillkürlich schiesst mir das Bibelwort durch den Kopf: «Wer in kleinen Dingen zuverlässig ist, wird es auch in grossen sein, und wer in kleinen unzuverlässig ist, ist es auch in grossen.» Während ich meinen Weg fortsetze, sinne ich darüber nach, wie es wohl mit der Zuverlässigkeit dieser Person im Beruf stehen mag.
Ob sie nach dem Motto handelt «was mein Chef nicht weiss, macht ihm nicht heiss»? Die Kindererziehung richtet sich vermutlich nach dem Sprichwort «Wasser predigen und Wein trinken». Die Person ermahnt ihre Sprösslinge zu etwas, was sie selbst nicht tut. Das wäre dann die klassische Form der Doppelmoral. Beim Stichwort «Doppelmoral» höre ich die leise Frage in mir, wie es mit meiner eigenen Zuverlässigkeit in den kleinen und grossen Dingen steht. Wie verhalte ich mich, wenn mir niemand zusieht? Tue ich stets, was ich von anderen erwarte? Ehrlicherweise musste ich mir eingestehen, dass ich soeben jemandem Rücksichtslosigkeit unterstellt hatte, obwohl es sich auch um Gedankenlosigkeit gehandelt haben könnte. Möglicherweise liess sich der Hundebesitzer (oder die Hundebesitzerin) von einem Handyanruf ablenken und vergass dabei, den vorher sorgfältig eingesammelten Hundekot mitzunehmen. Hat es nicht mit Treue in kleinen Dingen zu tun, wenn jemand sogar im Wald die Ausscheidungen seines Tieres mit dem Beutel auffängt? Überhaupt hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, den Inhalt zu prüfen. Vielleicht war gar nicht das drin, wonach es aussah. Und wenn, dann hätte ich das Säcklein selbst einpacken und im nächsten «Robidog» entsorgen können.
Mein Gebet lautet: «Gott, schenke mir von Deiner Treue, damit ich in den kleinen und grossen Dingen zuverlässig werde.»