Rezepte gegen Arbeitskräftemangel

Rezepte gegen Arbeitskräftemangel
Die wichtigsten Massnahmen gegen Arbeitskräftemangel gemäss Umfrage des Berner KMU Barometers. / Bild: zvg
Emmental: Das Problem mit den fehlenden Arbeitskräften hat sich weiter verschärft. Über die Hälfte der befragten Berner KMU leiden stark darunter. Was tun Emmentaler Firmen dagegen?

Fachkräftemangel war einmal. Heute herrscht Arbeitskräftemangel. Vielerorts fehlen nicht nur Spezialisten, sondern auch Generalisten. Diesen Umstand untermauern die Resultate des 4. Berner KMU-Barometers: Mit 58 Prozent gibt mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen an, aktuell sehr stark vom Arbeits- und Fach­kräftemangel betroffen zu sein. Nach möglichen Ideen gefragt, diesem zu begegnen, bewerten die Berner KMU die Steigerung des Wir-Gefühls am positivsten. An zweiter Stelle folgt die Förderung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf und an dritter Stelle vermehrt auch Teilzeitstellen für Fachkräfte (siehe Grafik).


«Schuster bleib bei deinen Leisten»

Ernst Kühni, Berner KMU-Präsident und Geschäftsführer des gleichnamigen Holzbau-Gesamtanbieters aus Ramsei, beurteilt die Personalsituation im Emmental als sehr angespannt. Sein Betrieb hingegen, so Kühni, sei im Moment gut aufgestellt. Matchentscheidend sei, die Leute selber nachzuziehen. So biete sein Unternehmen gut 30 Lernenden einen Ausbildungsplatz in fünf verschiedenen Berufen an. Mit flankierenden Massnahmen gelinge es auch, viele davon später im Betrieb zu behalten. Dazu gehörten eine flache Hierarchie sowie ein möglichst breitfächeriges Angebot an Aus- und Weiterbildung. Unabdingbar sei zudem die Präsenz bei Info-Anlässen für Schulkinder und Jugendliche. Im Nachgang zur kürzlich durchgeführten Berufswahl-Woche, an der über 80 Kinder teilgenommen hätten, habe man zahlreiche Schnupperlehren vereinbart. Ernst Kühnis Appell an betroffene Firmen: «Konzentriert euch auf das, wo ihr stark und kompetent seid!» Ganz nach dem Motto «Schuster, bleib bei deinen Leisten».


Ökologischer Betrieb ein Plus

Ähnlich die Situation bei der Vögeli Druckerei in Langnau. Auch seine Firma, so Geschäftsführer Markus Vögeli, sei nicht gross vom Arbeitskräftemangel betroffen. Mit einer Ausnahme seien sämtliche Stellen seines Betriebs besetzt. Und auch für Vögeli besteht das Erfolgsrezept hauptsächlich in einer breit abgestützten Lehrlingsausbildung. «Wir bilden unsere eigenen Fachkräfte aus.» Aber Vögeli bringt noch einen anderen Aspekt ins Spiel. «Unser geringer ökologischer Fussabdruck – wir produzieren mit Ökostrom, heizen mit Abwärme und stossen kein CO2 aus – ist bei den Arbeitssuchenden ebenfalls ein wichtiger Faktor.»


Nach Pensionierung ist nicht fertig

Anders die Situation bei der GLB aus Langnau, einem Unternehmen mit den unterschiedlichsten Branchen unter einem Dach. «Uns fehlen nicht nur Fachkräfte, sondern auch Hilfspersonal», so die Personalverantwortliche Barbara Burri. Besonders zugespitzt habe sich die Situation unter anderem in der Gebäudetechnik. In der Folge würden vermehrt Quereinsteiger rekrutiert. Viele von ihnen kämen bei der Montage von Photovoltaik-Anlagen zum Einsatz. Zentral sei auch das Halten von guten Mitarbeitenden. Grundlage dafür sei die gelebte GLB-Unternehmenskultur sowie die Entwicklungsmöglichkeiten im Unternehmen. Weiter sei mit der ordentlichen Pensionierung heute nicht einfach fertig Schluss. Frühzeitig würden mögliche Einsatzgebiete mit einem passenden Pensum und nötiger Flexibilität nach der Pension aufgezeigt und besprochen, erklärt Barbara Burri. So könne wertvolles Know-how im Unternehmen behalten werden. Aber auch das Umfeld der Mitarbeitenden sei ein wichtiger Markt für die Rekrutierung von neuen Arbeitskräften und Lernenden. So winkte «eine lukrative Prämie», wenn neues Personal dank eines Mitarbeitenden vermittelt werde.


Flexible Arbeitszeitmodelle

Das Spital Emmental profitiere von den zwei Standorten, so die Kom­munikationsverantwortliche Kerstin Wälti. Man helfe sich gegenseitig aus. Der Fachkräftemängel manifestiere sich hauptsächlich in nicht universitären Gesundheitsberufen. Seit diesem Frühjahr habe man einen ganzen Strauss von Gegenmassnahmen aufgegleist. Dazu gehörten ein flexibles Arbeitszeitmodell (10 bis 100 Prozent) für diplomiertes Pflegepersonal sowie eine autonome Dienstplanung. Das Pflegeteam könne unter Anleitung der Abteilungsleitung den Dienstplan selber erstellen. Und ein Mitarbeitenden-Pool sowie Hilfskräfte unterstützten die Pflegefachleute auf den Abteilungen. Verschiedene Lohnmassnahmen rundeten das Paket ab, sagt Kerstin Wälti. Tendenziell werde aber auch künftig ein Mangel an Fachkräften herrschen. «Deshalb ist unsere Strategie darauf ausgerichtet, mit dieser demografisch bedingten Tatsache umzugehen.» Ganz anders der Ansatz von politischer Seite. Der Luzerner Ständerat Damian Müller fordert mit seiner Motion «Vollzeitarbeit muss attraktiver werden» einen Steuerbonus für Vollzeitbeschäftigte. Allerdings fragt sich, ob damit die bessere Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, die in der Umfrage als zweitwichtigste Massnahme genannt wird, nicht auf der Strecke bleibt.

11.01.2024 :: Daniel Schweizer (sdl)

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