Drei Parteien verzichten auf Kandidatur

Drei Parteien verzichten auf Kandidatur
Gross ist der Andrang nicht für einen Gemeinderatssitz in Grosshöchstetten. / Bild: Jürg Kühni (JKB)
Grosshöchstetten: Sechs Parteien zählt die Gemeinde, doch nur deren drei werden in den kommenden vier Jahren im Gemeinderat vertreten sein. Die anderen verzichten «freiwillig».

Dass vielerorts die Parteien Mühe bekunden, genügend Leute für ein Gemeinderatsmandat stellen zu können, ist nicht ungewöhnlich. In Grosshöchstetten scheint dieser Personalmangel jedoch überdurchschnittlich gross zu sein: Folgende Parteien haben keine Kandidierenden für die bevorstehenden Gemeinderatswahlen am 24. Oktober finden können: die SVP, die SP und Die Mitte (vormals BDP). Sie machen die Hälfte aller Parteien in der Gemeinde aus.

Die heutige Sitzverteilung im Gemeinderat sieht wie folgt aus: EVP: Gemeindepräsidium und ein Sitz; FDP: zwei Sitze; Freie Wählergruppe Grosshöchstetten: zwei Sitze; SVP: ein Sitz; Wählergruppe Ortsteil Schlosswil: zwei Sitze.


Niemanden zum Amt verknurren

Der Gemeinderat Reto Schürch von der SVP tritt nicht wieder zu den Wahlen an. «Sicher hätten wir wieder eine Chance auf einen Sitz gehabt», sagt SVP-Präsident Heinz Christen. Doch hätten sie derzeit niemanden in ihren Reihen, der oder die sich zur Verfügung stelle und das Amt dann auch wirklich ausüben wolle, bedauert Christen. Leute zur Kandidatur zu verknurren und mit Listenfüllern anzutreten, sei nicht ihre Sache. Baut die SVP jemanden auf, um sich in vier Jahren wieder um einen Gemeinderatssitz bewerben zu können? «Klar ist jetzt einzig mal, dass wir die nächsten vier Jahre nicht im Rat dabei sind, was dann ist, werden wir sehen.» Es sei übrigens nicht das erste Mal, dass die Partei aus Personalmangel nicht im Gemeinderat vertreten sein werde, gibt Christen zu bedenken. 


Bereits seit acht Jahren nicht dabei

Auch die SP wird nicht zu den Gemeinderatswahlen antreten. «Es ist nicht ein Verzicht aus Prinzip», sagt Co-Parteipräsident Martin Binggeli. Fehlende Kandidierende sind auch bei den Sozialdemokraten der Grund für ihr Fernbleiben. «Es genügt nicht, mit einer Einerkandidatur anzutreten, wie wir bei den letzten Wahlen schmerzlich erfahren mussten», so Binggeli. Bereits 2013 wurde ihre damalige Gemeinderätin abgewählt; ein erneuter Versuch vor vier Jahren blieb erfolglos.

«Nun setzen wir uns mit unseren vorhandenen Möglichkeiten ein für das, was uns wichtig ist», sagt der Co-Parteipräsident – unter anderem in Kommissionen. Die SP machte sich in diesem Jahr beispielsweise stark für den Erhalt des Mobility-Standplatzes in Grosshöchstetten. Auch für Tempo-30 auf den Kantonsstrassen, wie dies auch in anderen Gemeinden möglich sei, setzt sie sich ein. Weiter arbeitete die SP zusammen mit der FDP und der FWG auch im Referendumskomitee zum Kommissionsreglement mit. 

Binggeli hofft, dass sich die personelle Situation bis in vier Jahren für die SP verbessern wird. «Denn das Potenzial für einen SP-Gemeinderatssitz müsste in Grosshöchstetten doch vorhanden sein.» 


Es gab Dringenderes als die Wahlen

Die dritte im Bunde, die könnte und doch nicht kann, ist Die Mitte Kiesental, vormals BDP. «Eigentlich hatten wir die Absicht, für die Wahlen des Gemeinderats eine Liste einzureichen», schreibt die Ortsgruppe Grosshöchstetten in der gemeinsamen Wahlbroschüre aller Parteien. Doch die Fusion der BDP mit der CVP hat die Ressourcen der neuen Partei gebunden. «Wir setzen alles daran, dass wir an den nächsten Gemeindewahlen 2025 aktiv teilnehmen können», stellt die Ortsgruppe in Aussicht.   


Mit klaren Positionen punkten

«Wir finden es sehr schade, dass von den sechs Parteien nur deren drei eine Liste für die Gemeinderatswahlen eingereicht haben», sagt Magnus Furrer. Er ist Präsident der Freien Wählergruppe Grosshöchstetten (FWG)und arbeitet für diese Gruppierung bereits seit acht Jahren im Gemeinderat mit. Die FWG ist mit gut 26 Prozent Wähleranteil derzeit die stärkste Partei in Grosshöchstetten; sie ist seit der laufenden Legislatur mit zwei Sitzen im Gemeinderat vertreten. Eine Prognose gebe er keine ab, hält Furrer fest. Aber ja, es könnte sein, dass die FWG unter den gegebenen Umständen einen dritten Sitz gewinnen könnte. «Eine Stärke von uns ist, dass wir uns zu Sachthemen konkret äussern», begründet er diese Aussage. 2017 war es das klare Bekenntnis zur Freibadsanierung. Diesmal ist es unter anderem, dass sich die Partei für eine neue Dreifachturnhalle stark machen will.

Die FWG ist für die Gemeinderatswahlen eine Listenverbindung mit der Wählergruppe Ortsteil Schlosswil eingegangen. «Wir fänden es gut, wenn dieser Ortsteil auch in Zukunft im Gemeinderat vertreten wäre», so Furrer. 

Nach der Fusion vor vier Jahren hatte der Ortsteil Schlosswil während einer Legislatur zwei Gemeinderatssitze zugut. Die Anzahl Sitze wurde entsprechend erhöht. Dieser Bonus ist nun abgelaufen, die Sitze werden wieder auf sieben inklusive Präsidium reduziert. Diese beiden Schlosswiler Ratsmitglieder treten nicht wieder an, und der nun einzige Kandidat von dort muss sich einer richtigen Wahl stellen. Dies ist Matthias Haldemann. «Als wir Schlosswiler von der geplanten Schliessung des Schulhauses erfahren haben, habe ich mich in der Kerngruppe engagiert. Von da an war mir bewusst, dass ich mich gerne für den Ortsteil Schlosswil einsetzen möchte», begründet er seine Kandidatur in der Wahlbroschüre. Er denke, dass Schlosswil mit einem Gemeinderatssitz besser in Grosshöchstetten eingebunden sei und so die Gemeinde besser unterstützen könne.


«Lassen wir uns überraschen»

Wie die FWG konnte auch die FDP bei den letzten Wahlen um einen Sitz zulegen und ist nun mit zwei Mitgliedern im Rat vertreten. Wahrscheinlich hat auch sie damals davon profitiert, dass die BDP nicht mehr zu den Wahlen antrat. Parteipräsidentin Marlène Schumacher ist auch für die kommenden Wahlen zuversichtlich. «Unser Ziel ist klar, unsere beiden Sitze erfolgreich zu verteidigen.» Weil diesmal die SVP nicht mehr mitmache, werde sicher auch die FDP einige dieser Stimmen auf ihr Konto verbuchen können. Die Chancen für einen dritten Sitz könnten also bestehen, «wir lassen uns überraschen», sagt Marlène Schumacher vorsichtig. Hat die Partei konkrete Themen, mit welchen sie bei der Wählerschaft punkten will? «Wir stehen bekanntlich für gesunde Finanzen. Deshalb ist uns wichtig, Investitionen gründlich auf ihre Notwendigkeit hin zu prüfen. Wir müssen nicht mit einem Ferrari herumfahren, wenn auch ein Volvo seinen Dienst tut.» Konkret: Die Frage, ob es wirklich eine neue Dreifachturnhalle brauche oder ob eine Sanierung der alten Halle noch sinnvoll wäre, müsse gründlich geprüft werden. Denn Steuererhöhungen müssten möglichst vermieden werden können, betont Schumacher. Nebst der Bildung, die für FDP eine Herzensangelegenheit sei, setze sich die Partei allgemein für ein intaktes Dorfleben ein. Vom neu sanierten Freibad profitierten vor allem die Jugendlichen und Familien. Fehlen würden beispielsweise Begegnungszonen für alle, sagt die Parteipräsidentin. Es gelte, dies bei der Ortsplanung zu berücksichtigen. 


Zwei Sitze sind gut, drei wären schön

Einen Sitz abgeben musste vor vier Jahren die EVP. In der aktuellen Legislatur hat sie nebst dem Gemeindepräsidium – das sie nach der stillen Wahl von Christine Hofer behalten darf – einen Sitz. «Natürlich würden wir uns freuen, wenn wir den damals verlorenen Sitz wieder zurückgewinnen würden», sagt Parteipräsident Urs Winkler. Aber von Kämpfen für die Zurückeroberung des dritten Mandats mag er nicht sprechen. «Wir sind auch glücklich, wenn wir die beiden Sitze behalten können.» Es sei ein Geschenk, dass sie genügend Kandidierende präsentieren könnten, sagt Winkler. Noch schöner wäre es, wenn sie auch jemanden aus Schlosswil auf ihrer Liste hätten. Welches sind die Wahlthemen der EVP? Wir wollen einfach situationsbezogen gute Politik machen, so dass sich die Grosshöchstetterinnen und Grosshöchstetter von uns ernst genommen und gut vertreten fühlen», so der Parteipräsident.

Nebst dem Gemeinderat wird in Grosshöchstetten am 24. Oktober auch die Bildungs- und Geschäftsprüfungskommission gewählt.

07.10.2021 :: Jakob Hofstetter (jhk)