Der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern hat sich noch verschärft

Der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern hat sich noch verschärft
Noch ist nicht überall klar, wer die Schülerinnen und Schüler ab August unterrichten wird. / Bild: Jürg Kühni (JKB)
Emmental/Entlebuch: In zwei Monaten beginnt das neue Schuljahr und im Gebiet der «Wochen-Zeitung» sind laut der kantonalen Stellenmärkte noch gegen 30 Lehrerstellen offen.

«Die Situation mit offenen Lehrerstellen präsentiert sich ähnlich wie vor einem Jahr. Jedoch kann derzeit wegen der Corona-Pandemie nicht auf pensionierte Lehrerinnen und Lehrer zurückgegriffen werden, was die Lage verschärft», sagt Stefan Wittwer vom Berufsverband Bildung Bern (siehe Interview). 

Die hiesigen Schulen versuchen in den Stellenausschreibungen auf ihre Vorzüge hinzuweisen: «Unterrichten Sie an einer übersichtlichen und feinen Schule.» Auch werden Vorurteile ausgeräumt: «Das Emmental liegt nicht so weit von Bern entfernt wie alle denken. Fahren Sie antizyklisch ohne Stau in der andern Richtung als all die andern.» 

Null Bewerbungen 

Eine Klassenlehrkraft für die 4. bis 6. Klasse sucht die Schule Arni-Landiswil. «Erst Ende April ist die Kündigung eingegangen, deshalb haben wir relativ wenig Zeit», sagt Schulleiter Adrian Schneiter. «Wir haben die Stellenausschreibung breit gestreut; auch in den sozialen Medien.» Wie war das Echo? «Null Bewerbungen, auch keine Anfrage», bilanziert Schneiter. Zwei Stellen für kleinere Pensen konnten an der Schule Arni-Landiswil besetzt werden. Nun sei der Markt offenbar ziemlich ausgetrocknet. Dabei habe die Schule einiges zu bieten: «Wir sind gut aufgestellt, mit einer modernen Infrastruktur, auch haben wir ein ausgebautes Mentorat für die Lehrkräfte. Ich hoffe, dass sich beispielsweise eine Lehrerin meldet, welche wieder in den Beruf einsteigen möchte.»  

Die Schule Affoltern suchte Personal für eine Mutterschaftsvertretung  – mit Erfolg. «Wir haben im Verhältnis zur Grösse sehr viele Praktika, weshalb unsere Schule bei jungen Lehrpersonen bekannt ist», nennt Schulleiter Beat Kneubühler einen Grund für den Erfolg. 

Schön gelegen – abgelegen

Ein weiterer Vorteil sei, dass in Affoltern 88 Kinder zu unterrichten seien, das Schulhaus aber für fast die doppelte Zahl erstellt worden sei. «Wir haben sehr viel Platz», bringt es Kneubühler auf den Punkt. Was auch immer wieder hervorgehoben werde, sei die schöne Lage mit dem Blick auf die Berner Alpen. Allerdings, fügt der Schulleiter an, könne die Lage auch ein Problem sein. «Mit dem ÖV dauert der Arbeitsweg vom Bahnhof Bern zu uns eine gute Stunde.»

«Wir sind weit weg von Luzern wie von Bern», sagt Benedikt Meier, Schulleiter in Escholzmatt-Marbach. Auch er nennt Praktika ein probates Mittel, um jungen Lehrerinnen und Lehrern zu zeigen, «dass man auch auf dem Land gut unterrichten kann und dass man oft nicht länger unterwegs ist als von Agglomeration in die Stadt». Bislang habe die Schule jeweils jede freie Stelle besetzen können, man erhalte aber maximal zwei, drei Bewerbungen.

Kommen auch Lehrer aus dem Kanton Bern, schliesslich zahlt Luzern etwas höhere Löhne? «Von den aktuell 57 Lehrpersonen leben fünf im Kanton Bern, wobei vier Heimweh-Luzerner sind», zählt Benedikt Meier auf. «Der Lohn ist also nicht ausschlaggeben.»

«Die Notmassnahmen sind ausgeschöpft»

Stefan Wittwer ist stellvertretender Geschäftsleiter des Berufsverbandes Bildung Bern. 


Stefan Wittwer, ist Lehrermangel noch immer ein Landproblem?

Im Mittelland ist die Situation ähnlich. Früher waren um diese Zeit noch Teilpensen zu vergeben, heute fehlen gar noch Klassenlehrkräfte. 


Die Lage hat sich eher verschärft? 

Ja. Man hat den Mangel in den letzten Jahren mit Notmassnahmen bekämpft: Lehrkräfte erhöhten ihre Pensen zudem haben pensionierte Lehrer und Studenten der Pädagogischen Hochschule Bern ausgeholfen. Diese Möglichkeiten sind weitgehend ausgeschöpft. Insbesondere können wegen Corona kaum mehr Pensionierte unterrichten. 


Manchmal spannen sich die Schulen auch gegenseitig Lehrer aus.

Der Wettbewerb unter den Schulen ist viel grösser geworden. In den Inseraten sind unter «wir bieten» zig Punkte aufgeführt – vom modernen Arbeitsplatz bis zum Gratisparkplatz. 


Das Grundproblem wird dadurch nicht gelöst. 

Ja, es braucht mehr Lehrerinnen und Lehrer und man muss verhindern, dass viele wieder aussteigen. Das schafft man am besten, indem die Attraktivität des Berufs gesteigert wird. Dass die Klassen grösser wurden, hat nicht dazu beigetragen.  


Was schlagen Sie vor? 

Ein Punkt wurde erreicht, indem Primarlehrkräfte mehr Lohn erhalten. Es braucht mehr Karrieremöglichkeiten; eine umfangreichere Weiterbildung soll ohne Lohnausfall möglich sein. Auch attraktivere Bildungszugänge für Quereinsteiger sind nötig. Schliesslich braucht es nicht nur genügend, sondern auch gut ausgebildete Lehrerinnen und Lehrer. 

11.06.2020 :: Bruno Zürcher (zue)