Wie ein Haushaltungslehrjahr – nur moderner und vielseitiger
Kanton Bern: Seit diesem Jahr bietet der Kanton Bern keine Ausbildung mehr an, die dem früheren Haushaltungslehrjahr entspricht. Jugendliche sollen aber weiterhin lernen können, gesund zu kochen und den Haushalt in Schwung zu halten, finden die Landfrauen. Auf privater Basis wollen sie das »Bildungsjahr Hauswirtschaft» anbieten.
Unter Haushalt führen verstehen die Bernischen Landfrauen etwas anderes als den Dosenöffner und das Mikrowellengerät bedienen zu können. Sie hatten dehalb keine Freude, als vor gut sechs Jahren der Kanton das Haushaltslehrjahr einstellte. Als Ersatz dafür konnten Jugendliche damals in die neu angebotene Lehre «Fachfrau/Fachmann Hauswirtschaft» eintreten, und nach dem ersten Jahr, der Grundausbildung, wieder aussteigen. Rund 60 junge Frauen und einige Männer machten jährlich von diesem Angebot Gebrauch. Diese Möglichkeit gibt es nun auch nicht mehr. Nach dem neuen Berufsbildungsgesetz, das seit letztem Jahr in Kraft ist, hat eine Berufslehre mindestens drei Jahre zu dauern. Somit käme die bisherige Praxis, der Ausstieg nach einem Jahr, einem Lehrabbruch gleich. Dies will der Kanton nicht dulden.
Zwar bietet der Kanton auch die Vorlehre Hauswirtschaft an. «Diese bringt den Jugendlichen aber nur einen Bruchteil von dem, was sie in einem Haushaltungslehrjahr oder im ersten Lehrjahr von ‹Fachfrau Hauswirtschaft› lernen konnten», sagt Käthi Wälchli, Präsidentin des Verbandes Bernischer Landfrauenvereine. So sahen sich die Landfrauen nun genötigt, auf privater Basis eine Art Haushaltungslehrjahr anzubieten. «Bildungsjahr Hauswirtschaft» nennen sie die Ausbildung.Starten wollen sie im kommenden Sommer. Es sei für solche gedacht, die sich noch nicht auf eine Berufswahl festlegen könnten, auf eine Lehrstelle warten müssten oder einfach lernen wollten, ihren Haushalt zu meistern.
Kanton fördert Attest-Ausbildung
Warum bietet dieses Angebot nicht der Kanton an? Das «Bildungsjahr Hauswirtschaft» sei ein Bildungsjahr ohne anerkannten Abschluss, sagt die Berufsschulinspektorin Susann Schläppi. Trotzdem wird das Ansinnen der Landfrauen vom Erziehungsdepartement ideell unterstützt. Jugendliche, die nach dem «Bildungsjahr Hauswirtschaft» nach einem eidgenössisch anerkannten Abschluss streben, können sofern sie einen Lehrbetrieb finden ein weiteres Jahr «anhängen». Nach diesem, nicht mehr privaten, Ausbildungsjahr kann eine Abschlussprüfung mit eidgenössischem Berufsattest EBA als Hauswirtschaftspraktiker abgelegt werden. Dass die Landfrauen mit ihrem Ausbildungsangebot den Anschluss für die zweijährige Grundbildung mit Attest ermöglichen, findet Susann Schläppi gut. «Wir vom Kanton unterstützen die zweijährige Grundbildung mit Attest, damit möglichst viele, auch schulisch Schwächere, eine Ausbildung mit Abschluss auf Sekundarstufe 2 absolvieren können.»
Kampf der Fehlernährung
«Ich bin sehr froh, dass es ein Nachfolgemodell der bisherigen Angebote geben soll», sagt Esther Fankhauser. Die diplomierte Bäuerin HFP bewirtschaftet zusammen mit ihrer Familie in Röthenbach einen Bauernbetrieb. Sie bietet jungen Leuten, derzeit Désirée Hofstetter, einen Ausbildungsplatz in Hauswirtschaft an. Immer weniger Jugendliche könnten lernen, einen Haushalt zu führen, bedauert sie. «Viele wissen nicht mehr, dass sie ‹Knöpfli› selber machen können, wie man Konfitüre selber einkocht oder was unter ausgewogener Ernährung zu verstehen ist.» Bei ihr kann Désirée Hofstetter auch den Werdegang vom Rüebli-Samen bis zum tellerfertigen Gemüse miterleben. «Wir sehen die Ausbildung im Familienbetrieb auch als sozialen und volkswirtschaftlichen Beitrag». Die Fehlernährung beispielsweise sei ein Problem, und auch, dass vielen der Bezug zur Natur fehle. Die Jugendlichen lernten in der Ausbildung, welche Lebensmittel zu welcher Jahreszeit gekocht werden sollten und je nach Betrieb auch einiges über Selbstversorgung.
Die Ausblildnerinnen müssen den Fachausweis Bäuerin oder eine gleichwertige Ausbildung in Hauswirtschaft mitbringen. Zudem müssen sie mindestens während vier Tagen pro Woche mit den Jugendlichen arbeiten.
Moderner als das Haushaltungslehrjahr
Barbara Thörnblad ist zuständig für Hauswirtschaft beim Ausbildungszentrum für die Landwirtschaft (Inforama). Sie unterstützt die Landfrauen und zeichnet für den Ausbildungsplan verantwortlich.
15.02.2007 :: Jakob Hofstetter (jhk)