Wo sich Fuchsfelle auftürmen

Wo sich Fuchsfelle auftürmen
Rotfuchsfelle so weit das Auge reicht. Aktuell hat die G. Neuenschwander und Söhne AG rund 5000 Stück am Lager. / Bild: x x (x)
Oberdiessbach: Die Gerberei Neuenschwander bleibt auf ihren Vorräten an Rotfuchsfellen sitzen. Deshalb wird sie in diesem Jahr keine solche Felle mehr annehmen können.

Tierfelle, so weit das Auge reicht. Gestapelt in hohen Gestellen und zwecks Konservierung getrocknet, warten sie im Rohfelllager auf ihre Gerbung oder auf ihren Verkauf an Gerbereien im In- und Ausland. Herbstfarben leuchten von einem Rollwagen her: Die Farben stammen von hunderten Rotfuchsbälgen, allesamt aus einheimischer Jagd, wie Bernhard Neuenschwander versichert. Neuenschwander ist Präsident der Geschäftsleitung der G. Neuenschwander Söhne AG und unter anderem verantwortlich für die Gerberei und den Handel mit sogenanntem Rohmaterial. «Wir verwerten Schlacht-Nebenprodukte», betont Neuenschwander. Damit meint er die Felle von Nutztieren, insbesondere von Schafen und Lämmern, aber auch von Kaninchen, Rindern oder Ziegen. 

Noch 5000 Fuchsfelle am Lager

Erst unter ferner liefen kommen die ausschliesslich einheimischen Wildtiere, die wegen des Fleisches oder – wie bei Fuchs und Dachs – zwecks Bestandesregulierung erlegt wurden. In einem normalen Jahr kauft die Firma rund 2000 Rotfuchsfelle aus der ganzen Schweiz. Aktuell liegen jedoch rund 5000 Stück am Lager. Nur wenige von ihnen gehen über den Ladentisch.

Der Abwärtstrend zeichne sich schon länger ab, schreibt die Firma in einer Medienmitteilung. Exporte seien kaum mehr möglich. Das liegt nicht nur am schlechten Image der Pelze, weiss Neuenschwander, ein bekennender Gegner der Pelztierfarmen. «Wegen Corona ist der internationale Pelzhandel komplett eingebrochen», sagt er. Die teuren Zuchtpelze wurden billiger und somit erschwinglich für Konsumenten, die vorher auf den günstigeren Rotfuchs ausgewichen sind. Kommt dazu, dass die Touristen fehlen, die hier und da ein Fuchsfell als Souvenir erstehen. Aus diesem Grund hat sich die G. Neuenschwander Söhne AG entschlossen, diesen Winter keine Fuchsfelle mehr einzukaufen. Dass deswegen weniger Tiere erlegt werden, glaubt Bernhard Neuenschwander nicht. Denn für ein schönes Rotfuchs-Winterfell hätten die Jäger in den letzten Jahren lediglich fünf Franken erhalten.

Aufwändiges Handwerk

Auf dem Rundgang durch die Firma wird klar, wie viel Aufwand und Handarbeit nötig ist, um aus dem steifen Balg einen weichen, glänzenden und haltbaren Pelz zu machen. Vor dem eigentlichen Gerben werden die getrockneten Felle in einem warmen Waschmittelbad eingeweicht, danach mit einer Maschine entfleischt. Beim Entfleischen werden Fett und Fleischreste, aber auch Schmutz aus dem Fell entfernt. Nun wird das Fell mit dem Pickeln und Einfetten darauf vorbereitet, die Gerbstoffe möglichst gleichmässig aufzunehmen. Das Einfetten schützt und unterstützt zudem die physikalischen Eigenschaften des Leders wie Dehnbarkeit, Reissfestigkeit, Wasserdichtigkeit sowie Luft- und Wasserdampfdurchlässigkeit. Von Hand wird danach das Leder auf die ideale Dicke geschnitten. «Dieser Arbeitsschritt braucht viel Fingerspitzengefühl», erklärt Bernhard Neuenschwander. Der Gerber muss nämlich für jedes Fell die ideale Dicke finden. Bleibt das Leder zu dick, wird es hart, wird es zu dünn geschnitten, kann es reissen. 

Verschiedenste Gerbungen

Nun ist das Fell bereit für den Gerbprozess. «Beim Fuchs wird die sogenannte Weissgerbung angewendet. So bleibt die Fellfarbe schön erhalten», sagt Neuenschwander. Diese Gerbung mit Aluminiumsalzen hat aber den Nachteil, dass das fertige Fellprodukt weder waschbar noch hitzebeständig ist. Bei Lammfellen, auf denen dann Babys gebettet werden, wird deshalb die Medizinalgerbung angewendet, die zwar das Fell gelblich verfärbt, dafür aber waschbar macht. Pflanzliche Stoffe kommen bei der Mimosa Biogerbung zum Zuge, wodurch die Felle ebenfalls sehr gut verträglich und waschbar werden. Besonders Hitzebeständig werden sie durch die Tara-Mineral-Gerbung.

Bei allen Gerbmethoden werden die Felle nun mit den gewünschten Gerbstoffen und Wasser in einer Stahlhaspel oder einem Fass einen Tag lang bewegt. Nach diesem Prozess geht es in die Schleudertrommel. Anschliessend werden die Felle wieder mit Hilfe der so genannten Stollmaschine auseinandergezogen, von Hand aufgespannt und getrocknet. Schliesslich wird jedes Fell zugeschnitten und je nach Beschaffenheit und Qualität entscheidet sich, wofür es verwendet werden soll. Während Schaffelle in einer Waschmaschine gereinigt und entfettet werden, kommen Fuchs-, Marder- und Kaninchenfelle in den «Döschwo». In dieser Trommel wird mit Hilfe von Sägemehl das Fett im Fell entfernt und das Fell bekommt einen schönen Glanz. Schliesslich geht es ans Schleifen der Lederseite und ans Kämmen des Fells. Schaffelle werden zudem auf die gewünschte Länge geschoren. Zum Schluss wird das Fell gebügelt und bei der Endkontrolle ein letztes Mal unter die Lupe genommen, fertig! 

Altes Handwerk, neue Abwassernormen 

Viele Schritte dieses traditionsreichen Handwerks haben sich über die Jahrzehnte kaum verändert. Anders der Umgang mit dem Abwasser der Gerbung, sagt Bernhard Neuenschwander. Im Gegensatz zu früher werde dieses nicht mehr ungefiltert in die ARA geleitet, sondern mehrmals wiederverwendet. Erst nach einem gründlichen Reinigungsprozess verlässt das Abwasser schliesslich die Firma Neuenschwander in Richtung ARA. Was übrig bleibt, wird fachgerecht entsorgt. 

Gerbereien und ausgebildete Gerber sind in der Schweiz selten geworden. Doch Bernhard Neuenschwander sieht diesbezüglich einen Hoffnungsschimmer am Horizont. Seitdem Nachhaltigkeit wieder gross geschrieben werde, bekomme er ab und zu Anfragen von Stellensuchenden, erzählt der 55-Jährige «So etwas haben wir vorher jahrelang nicht erlebt.» Vor zwei Jahren konnte zudem der junge Julian Krötz seine Lehre als Gerber bei der Firma Neuenschwander abschliessen; schweizweit der erste Lernende in diesem Beruf seit über 25 Jahren.

Einflüsse auf die Population

Im Kanton Bern werden jährlich rund 2000 bis 3000 Rotfüchse auf der Jagd erlegt, schreibt das Jagdinspektorat auf Nachfrage. Zusätzlich starben im letzten Jahr nachweislich 3062 Füchse aus anderen Gründen. Ziel der Bejagung sei unter anderem die Bekämpfung von übertragbaren Krankheiten wie Staupe oder Räude. «Bei hohen Beständen kann insbesondere die Räude zu grossen Verlusten führen», so das Jagdinspektorat. Weitere Ziele sind die Abwehr von Verlusten bei Nutztieren, Rehkitzen, jungen Hasen und Bodenbrütern.

Ob die Bejagung einen Einfluss auf die Gesamtpopulation der Füchse habe, sei wissenschaftlich umstritten. «Die Wirkung ist eher lokal», ist beim Jagdinspektorat zu erfahren. Sicher aber sei der Mäusebestand ein entscheidender Faktor: In Jahren mit vielen Mäusen gelingt es einer Füchsin mehr Junge aufzuziehen als in mageren Jahren.

19.11.2020 :: x x (x)