Hasle: Thomas Schneider erweitert auf seinem Hof den Anbau von Hors-sol-Erdbeeren. Obwohl bei manchen Konsumenten noch umstritten, hat sich diese Methode mehr und mehr etabliert.
Dass dem Hors-sol-Anbau (bodenunabhängig) immer noch mit Skepsis begegnet wird, beweisen die Kommentare zu entsprechenden Beiträgen in den Medien. Von Industriefood ist da die Rede, von fehlenden Nährstoffen und von künstlichen Früchten und Gemüse ohne Geschmack. Oft wird dabei mit der sonnengereiften Tomate oder Erdbeere aus dem eigenen Garten verglichen. Dieser Vergleich hinke, wie Markus Waber vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten entgegnet. Die Tomate im Garten sei vielleicht im Juli schön reif. «Viele Konsumenten wünschen aber bereits ab Ende April Schweizer Tomaten.» Zudem spiele die Sorte eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren sei bei den Züchtungen auf Ertrag, Transport- und Lagerfähigkeit geachtet worden, wobei der Geschmack ein wenig in den Hintergrund geraten sei, erklärt Markus Waber. Da probiere man schon seit einigen Jahren, Gegensteuer zu geben.
Mehr Ertrag, hohe Kosten
überzeugt vom Hors-sol-Anbau ist Thomas Schneider aus Biembach. Es ist nun das vierte Jahr, dass er einen Teil seiner Erdbeeren auf diese Weise anpflanzt. Nun will er diesen Bereich um elf auf 33 Aren erweitern. In einem der heute acht Plastiktunnel probiert er, einige Erdbeeren zu überwintern. Geheizt ist das Gewächshaus nicht, zum besseren Schutz gegen die Kälte hat der Landwirt Vlies über die Pflanzen gelegt. Sie wachsen in einer metallenen Rinne auf Brusthöhe in einem Substrat, das an Geranienerde erinnert. «Es besteht hauptsächlich aus Rinde, Kokos- und Holzfasern und Reisspelzen, ist also ein natürliches Material», betont Thomas Schneider. Vorher habe er während 20 Jahren die Erdbeeren ebenfalls in Tunnel, aber in den Boden gepflanzt. «Mit dem Substratanbau wurde der Ertrag bedeutend grösser.» Gegenüber dem Freilandanbau sei der Unterschied noch deutlicher. Allerdings hat diese Methode ihren Preis: Man rechne pro Hektare mit Kosten von einer Million Franken, sagt Schneider. Um die Kosten zu senken, baut er zusammen mit seinem Vater fast alles selber. Ein weiterer Nachteil sei der lange und steinige Weg, bis die Bewilligung vorliege, sagt er.
Weniger Wasser und Chemie
Der hohe Ertrag auf vergleichsweise geringer Fläche ist nicht das einzige Argument, das den 41-jährigen Landwirt vom Hors-sol-Anbau überzeugte. Es könne viel gezielter bewässert werden. «Gegenüber dem Freiland brauchen wir zwei Drittel weniger Wasser.» Insektizide setze er nur im Notfall ein. Allgemein würden Krankheiten seltener auftreten. «Die Nährstoffe werden genau abgemessen und direkt den einzelnen Pflanzen zugeführt.» Nicht zuletzt sei der Arbeitskomfort höher, indem man sich weniger bücken müsse.
Auf den Geschmack seiner Hors-sol-Erdbeeren, die er alle direkt vermarktet, lässt Thomas Schneider nichts kommen. «Die Kunden loben das Aroma.» Den direkten Vergleich hat er, denn er bietet auch Freiland-Erdbeeren zum Selberpflücken an. «Bei der Wahl der Sorten lege ich grossen Wert auf das Aroma. Das ist mir wichtiger als ein maximaler Ertrag.»
«Bio» geht nicht
Bei all den Vorteilen mag es erstaunen, dass beim biologischen Anbau Hors-sol nicht erlaubt ist. Diese Methode widerspreche den Grundsätzen des Bio-Landbaus, schreibt Bio Suisse in einer Stellungnahme. «Die Interaktion von Boden und Pflanze ist ein wichtiger Faktor bei der biologischen Produktion.» Nur wer «bio» kaufe, habe die Garantie, dass sowohl das in- wie das ausländische Gemüse in echtem Boden gewachsen sei. Akzeptiert werde die bodenferne Produktion nur in Ausnahmefällen, etwa bei Pilzen, Sprossen, Setzlingen und Topfkräutern.
In der konventionellen Landwirtschaft dagegen hat sich Hors-sol auf tiefem Niveau etabliert. Betrug die Anbaufläche beim Gemüse 1990 noch 30 Hektaren, waren es 2005 doppelt so viel und 2016 lag die Fläche bei 150 Hektaren (gemäss Schweizerische Zentralstelle für Gemüsebau und Spezialkulturen). Im Hinblick auf die Gesamtanbaufläche beim Gemüse von 15’500 Hektaren ist der Anteil aber immer noch gering. Vorwiegend Tomaten, Gurken und Erdbeeren werden bodenunabhängig angepflanzt.
Gesamtbilanz berücksichtigen
Ein bedeutender Nachteil des Hors-sol-Anbaus ist der hohe Energieverbrauch der Gewächshäuser. Markus Waber vom Verband Schweizer Gemüseproduzenten relativiert: «Schweizer Tomaten schneiden bei der Gesamtumweltbilanz besser ab als jene aus südlichen Ländern. Dies insbesondere wegen der Menge ausgestossener Wasserschadstoffe und Pflanzenschutzmittel, die in den Boden gelangen. Auch bei der sozialen Nachhaltigkeit erzielen Schweizer Betriebe ein gutes Resultat.»
Ein weiterer Kritikpunkt ist das oft eingesetzte Kokossubstrat, das von weither importiert werden muss. Dies sei ein Abfallprodukt, speichere das Wasser gut, sei luftdurchlässig und biologisch abbaubar, nennt Agroscope, das Kompetenzzentrum des Bundes für landwirtschaftliche Forschung, die Vorteile. Nach anderen Materialien werde aber geforscht, etwa im Bereich von Schafwolle und Grasfasern.