Seit 150 Jahren werden bei der Hegi AG Metalle in Formen gegossen

Seit 150 Jahren werden bei der  Hegi AG Metalle in Formen gegossen
Oberburg: Die Giesserei Hegi hat sich in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich weiterentwickelt und kann dieses Jahr jubilieren. Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist die Flexibilität.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts herrschte in Oberburg eine industrielle Aufbruchstimmung. Die Region war dank der Emmental–Burgdorf–Thun–Bahn leicht zu erreichen und Wasserkraft zum Antrieb der Maschinen gab es genug. Drei Giessereien sind damals entstanden, von denen zwei bis heute in Betrieb sind: die Giesserei Nottaris und die Giesserei Hegi. Die Giesserei Hegi AG wurde 1868 von Joseph Denis und Johann Muster gegründet. Das Unternehmen kann dieses Jahr somit sein 150-jähriges Bestehen feiern. Weshalb haben sich damals drei Giessereien in Oberburg angesiedelt? Auf diese Frage kann der Geschäftsführer, André Wössner, keine endgültige Antwort geben: «Ich habe das nie analysiert. Eigentlich gibt es in Oberburg nichts, was eine Giesserei an Ressourcen benötigt; Erz findet sich keines und die Werke sind zu weit von der Emme entfernt.» Möglicherweise habe es in der Region Sand gegeben, der sich für Gussformen eignete, aber auch dies sei Spekulation. «Es ist denkbar, dass die Giessereien Oberburg wählten, weil es hier viele zuverlässige Arbeitskräfte gab», erklärt Wössner, der die Traditionsfirma seit 2007 leitet.



Hochs und Tiefs

Eine Broschüre der Giesserei Hegi gibt Auskunft über die weiteren Geschicke des Unternehmens: 1919 wurde eine Fürsorgeeinrichtung für die Belegschaft gegründet, im Kriegsjahr 1945 kam die Aluminiumverarbeitung hinzu. Und 1988 wurde ein Labor für physikalische und chemische Materialanalysen in Betrieb genommen. Die Familie Hegi leitete das Unternehmen während fünf Generationen, dann erfolgte die übergabe an den Giessereifachingenieur André Wössner. Er kannte das Unternehmen gut, da er zuvor schon ein Jahr als Produktionsleiter bei der Giesserei Hegi gearbeitet hatte. Seit der Geschäftsübernahme habe er schon viele Hochs und Tiefs erlebt, erklärt André Wössner. «Die Eurokrise vor einigen Jahren hat uns schwer getroffen, es gab aber auch viele Spitzenzeiten, in denen unsere Produktion ausgelastet war!»



Grundlagen sind dieselben geblieben

«Fest, flüssig, fest», dies ist ein zentrales Merkmal in der Gusstechnik, das sich in Bezug auf Physik und Chemie nicht verändert. «Seit 5000 Jahren werden Metalle verflüssigt und in Formen gegossen», erklärt André Wössner. Obwohl heute moderne Hilfsmittel, Mess- und Regeltechnik zum Einsatz kommen, seien die Grundlagen doch dieselben geblieben. Die Formen stellt das Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Kunden her. Sie bestehen aus Quarzsand und werden nur einmal verwendet, anschliessend wird ihr Material wiederaufbereitet. Am Computer kann der gesamte Gussprozess simuliert werden. Das Füllverhalten oder die Temperaturerstarrung lassen sich zur weiteren Analyse beobachten.



Ausbildung ist wichtig

Gussformer und Gusstechnologe sind zwei Berufe, die in der Giesserei Hegi erlernt werden können. «Leider ist es auch für uns nicht einfach, Lernende zu finden», stellt André Wössner fest. Dies sei schade, denn in einer Giesserei gebe es viele Möglichkeiten zur Fortbildung, wie etwa der Besuch der Fachhochschule Windisch. «Eine Lehre setzt Eigenmotivation und logisches Denken voraus. Lernende dürfen zudem Kälte und Hitze nicht scheuen», sagt André Wössner weiter. Das Engagement lohne sich, denn das Unternehmen biete auch interne Weiterbildung an. Der Geschäftsleiter weiss aus Erfahrung, dass viele Giesser ihrem Beruf treu bleiben: «Wer nach einem halben Jahr zu diesem Beruf Ja sagt, bleibt sein ganzes Leben in der Branche.»

Eindrücklich schildert André Wössner die Bedeutung der Giessereien in unserer Zeit: «Am Morgen nach dem Aufstehen drehen wir am Wasserhahn, dieser entsteht aus einem Fest-Flüssig-Fest-Prozess.» Der Kontakt mit Teilen, die aus der Gusstechnik stammen, setze sich dann den ganzen Tag fort. «Autos, Maschinen, Haushaltapparate, überall spielt der Metall- und Aluminiumguss eine wichtige Rolle. Sogar unscheinbare Dinge wie ein Kugelschreiber kommen nicht ohne Gusstechnik aus, denn auch eine Tintenpatrone wird in einer Metallform gespritzt. Ohne Giessereien gäbe es weder Messer noch Gabel!»



Flexibilität als wichtiger Erfolgsfaktor

Der Konkurrenzdruck kommt für die Oberburger Giesserei vor allem aus dem Ausland in Form niedriger Preise. «Unsere Stärke ist aber nicht der Preis, sondern die Flexibilität», betont André Wössner. Ein Erfolgsrezept des Unternehmens sei es, schnell zu reagieren und in kürzester Zeit dem Kunden Lösungsvorschläge zu machen bei der Planung und Produktion. Es brauche viel Mut und Herzblut, um bestehen zu können und die Zukunft werde sicher nicht einfacher. André Wössner gibt sich am Ende des Gespräches aber optimistisch: «Giessereien werden immer benötigt!»

16.08.2018 :: Benjamin Stocker-Zaugg (sbr)