Der Hauslieferdienst muss nun ohne Asylsuchende betrieben werden

Der Hauslieferdienst muss nun ohne Asylsuchende betrieben werden
Langnau: Der Hauslieferdienst feiert sein 10-jähriges Bestehen. Das Jubiläumsjahr dürfte insofern schwierig werden, weil vorläufig keine Asylsuchenden mehr eingesetzt werden können.

Es sorgte in der Gemeinde Langnau immer mal wieder für Kritik, dass die Stiftung Intact beim Hauslieferdienst auch Asylsuchende beschäftige und nicht nur Langzeitarbeitslose, wie das ursprünglich gedacht war. Der Migrationsdienst des Kantons Bern habe vor drei Jahren Beschäftigungsmöglichkeiten gesucht, begründet Theophil Bucher, Co-Geschäftsleiter der Stiftung Intact, den Einsatz der Asylsuchenden. Der Hauslieferdienst war dafür geeignet. «Damit ist keinem Schweizer Erwerbslosen, der diese Tätigkeit verrichten wollte, der Platz streitig gemacht worden», betont er. Tatsache sei, dass das Ausliefern von Einkäufen trotz E-Bike körperlich anstrengend sei. «Dieser Umstand, die hohe Verbindlichkeit und der direkte Kontakt zu den Kunden liegt nicht allen.» Viele der Sozialhilfeempfänger seien körperlich und psychisch angeschlagen. Rund jeder Zehnte sei bereit und fähig, in diesem Bereich zu arbeiten. Die Stiftung Intact bietet noch andere, niederschwelligere Beschäftigungsangebote an wie Recycling- und Velowerkstatt oder Reinigungs-, Garten- und Hausarbeiten.



Asylsuchende ersetzen

Seit dem 1. Januar nun kann die Stiftung keine Asylsuchenden mehr einsetzen. «Das ist eine Folge des vom Volk abgelehnten Asylsozialhilfekredits», erläutert Theophil Bucher. Der Kanton musste die Beiträge an Beschäftigungsprogramme massiv kürzen. Das stellt die Stiftung vor grosse Herausforderungen. Insgesamt hätten sie 30 Asylsuchende beschäftigt, 15 davon in den Hauslieferdiensten in Langnau, Burgdorf und Kirchberg, erklärt Bucher. «Nun fallen diese weg und wir müssen schauen, wer ihre Arbeit übernehmen kann. Wir können nicht plötzlich Einkäufe stehen lassen.» Nun müssten wieder Erwerbslose für diese Tätigkeit motivert werden, notfalls springe auch mal ein Zivildienstleistender oder eine Leitungsperson ein. «Wir werden diesen Dienst aufrechterhalten, in anderen Bereichen aber Abstriche machen müssen», erklärt das Gründungsmitglied von «Intact». Betroffen ist auch das Betreuungspersonal; Arbeitspensen werden gekürzt und natürliche Abgänge nicht ersetzt. Zu Entlassungen komme es jedoch nicht, versichert Bucher. Die Stiftung Intact zählt 55 Angestellte, die sich rund 35 Vollzeitstellen teilen.



Positive Reaktionen der Kunden

Der Hauslieferdienst in Langnau steht also vor einem schwierigen Jubiläumsjahr. Was vor zehn Jahren mit 4200 Lieferungen begonnen hat, ist auf jährlich knapp 22’000 angewachsen. Heute werden in Langnau im Hauslieferdienst, in der Velowerkstatt und im Recycling 30 bis 35 Erwerbslose beschäftigt. Sie erhielten von den Nutzern positive Rückmeldungen, betont Roland Stauer, Leiter des Standorts Langnau. «ältere Menschen sagen uns, dass sie dank dieses Angebots noch selbständig einkaufen könnten. Familien schätzen es, statt mit dem Auto mit dem Kinderwagen im Dorf einkaufen zu gehen, ohne anschliessend alle Taschen nach Hause schleppen zu müssen.»

Eine Lieferung kostet drei Franken, ein Jahresabo 150. Zusammen mit den Beiträgen der beteiligten Geschäfte könnten die Betriebskosten (Miete, E-Bikes) gedeckt werden, erklärt Theophil Bucher. Für die übrigen Aufwendungen, hauptsächlich Löhne, kommt die öffentliche Hand auf. Kanton und Gemeinden kaufen Integrationsleistungen ein. Langnau zum Beispiel finanziert 3,5 der insgesamt 125 Plätze in den verschiedenen Angeboten der Stiftung. Zugewiesen werden die Erwerbslosen von den Sozialdiensten.



Eine Tagesstruktur erhalten

Die Teilnehmer der «Intact»-Beschäftigungsprogramme erhalten pro Monat eine Integrationszulage von 100 Franken. «Nur wegen des Geldes macht das niemand», betont der Co-Geschäftsleiter. Vielmehr gehe es darum, in einem Team eingebunden zu sein, eine Aufgabe zu haben und Selbstvertrauen aufzubauen. «Arbeit stiftet Sinn und gibt eine Tages- oder Wochenstruktur.» Im Schnitt bleibt ein Teilnehmer ein halbes Jahr. Im besten Fall gelingt es, im ersten Arbeitsmarkt Fuss zu fassen; im Schnitt ist das bei 40 bis 50 der jährlich rund 250 Austretenden der Fall. Manche blieben länger, sagt Bucher. Leute kurz vor der Pensionierung etwa oder schwächere, kranke, seit Jahren arbeitslose Menschen. Für sie sei es besonders schwierig, eine Anstellung zu finden. «Sie weisen oft viele Absenzen auf und haben Mühe mit der Pünktlichkeit. Das geht in der Wirtschaft nicht.» In diesen Fällen werde nicht eine Arbeits-, sondern eine soziale Integration verfolgt, erläutert Bucher. Dies geschehe in niederschwelligeren Angeboten als dem Hauslieferdienst.



Pläne für Langnau

Trotz der erschwerten Bedingungen fürs 2018, blicken Bucher und Stauer positiv in die Zukunft. Beim Verein Hauslieferdienste Schweiz sei eine App in Entwicklung, welche die Arbeit schneller, effizienter und damit attraktiver machen werde. Weiter wollten sie den Standort Langnau stärken. «Im Güterschuppen der SBB, wo jetzt der Hauslieferdienst untergebracht ist, wird Platz frei. Die Velo- und Recyclingwerkstatt könnte dorthin verlegt werden. Eine andere Idee ist eine bewachte Velostation. Der Ball hierfür liegt bei der Gemeinde.»

18.01.2018 :: Silvia Wullschläger (sws)