Die Kandidierenden verschiedenster Parteien markieren auch auf der grünen Wiese Präsenz. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Emmental/Entlebuch: Trotz sozialer Medien – die Parteien gehen im Hinblick auf die
kommenden Wahlen auch am Strassenrand aufs Ganze. Die einen mehr, die andern weniger.
Am 22. Oktober sind eidgenössische Wahlen. Sechs Wochen im Voraus kann am Strassenrand wahltechnisch aufgeforstet werden. Diese Werbeflächen sind innerorts bewilligungsfrei – aber nicht rechtsfrei. So müssen die Regeln bezüglich Sicherheit im Strassenverkehr und Ortsbildschutz eingehalten werden. Voraussetzung ist ebenfalls das Einverständnis des Grundstückeigentümers. Und tatsächlich, er findet auch 2023 statt, der Wahlkampf am Strassenrand. Die Parteien im Emmental und Entlebuch wollen nicht darauf verzichten, neben dem Verkehrskreisel und auf der Kuhweide Präsenz zu markieren.
Oberförster am Strassenrand
Unterwegs in der Region ist es offensichtlich: Die grösste Präsenz am Strassenrand haben Kandidierende der SVP. Dabei, so Joel Zimmermann, Generalsekretär JSVP Kanton Bern, griffen die Leute selber zu Beil und Hammer, setzten die Plakate auf eigene Faust. Auch langten sie in den eigenen Sack, berappten sie doch auch die Kosten aus eigenen Mitteln. Sie fänden, so Zimmermann, nach wie vor genügend Plakatstandorte. Leider stelle er einen «absoluten antidemokratischen Vandalismus» fest. «Ständig müssen Plakate ausgetauscht werden, da diese von intoleranten Personen zerstört werden», ärgert sich Zimmermann. Im Weiteren beackert die SVP die sozialen Medien. Und für einige ihrer Anlässe dürfe sich die SVP Emmental auf die Anwesenheit von Bundesrat Albert Rösti freuen, sagt Zimmermann.
Nicht auf Plakate verzichten
Adrian Wyss, Präsident der FDP Emmental, bestätigt die Vorherrschaft der SVP am Strassenrand. «Sie hat die absolute Lufthoheit auf diesem Gebiet.» Die FDP verfüge über keine durchorganisierte Plakatierungsstruktur. Der Zugang zu den freien Flächen, meistens im Besitz von Bauern, sei für sie schwieriger. Der Wald mit den Konterfeis von SVP-Leuten weise wohl einen um den Faktor zehn höheren Baumbestand auf als derjenige der FDP. Er selber, so Wyss, werde sich mit rund hundert Plakaten in Szene setzen. Zwar habe diese Form des Wahlkampfs beim Freisinn nicht den gleichen Stellenwert wie bei den anderen Parteien. Aber darauf verzichten könne man nicht. Denn für erfolgreiche Wahlen sei der Wiedererkennungswert ein entscheidender Faktor, so Wyss. Daneben würden natürlich die sozialen Medien bespielt. Deren Nutzung sei heute professioneller, häufig unterstützt mit bezahlten Kampagnen und einem hohen Einsatz von Videos. Allerdings stelle er da eine oft mangelhafte inhaltliche Qualität fest. «Einige Videos», meint Wyss selbstkritisch, «wären wohl besser nie online gegangen.»
Schwieriger als 2019
Auch die Grüne Partei des Kantons Luzern hat Anfang September mit dem Setzen von Wahlplakaten auf der grünen Wiese begonnen. Die zentrale Wahlleitung organisiere diese Aktionen, so Geschäftsführer Gian Waldvogel. Kandidierende und sonstige Mitglieder würden dabei in Aktion treten. Die Kosten würden vollständig durch das ordentliche Budget der Grünen übernommen. «Aus unserer Sicht ist es heute tendenziell schwieriger, geeigneten Raum für die Plakate zu finden», so Waldvogel. Bestehender öffentlicher Raum werde rarer und immer weniger Private seien bereit, auf ihrem Land solche Plakate zu dulden. «Dieser Trend ist für die Entwicklung einer lebendigen Demokratie nicht förderlich.» Und auch wenn diese Plakate unter der Witterung litten und häufig gar zerstört würden, erachte er sie als wichtig. «Sie verschafft unseren Kandidierenden eine Sichtbarkeit.» Selbstverständlich sei auch für die Grünen eine hohe Präsenz in den sozialen Medien ein Muss. Doch auch die persönliche Präsenz sei matchentscheidend. So gehörten Wahlveranstaltungen, Stand- und Telefonaktionen zum Werkzeugkasten für einen erfolgreichen Wahlkampf.
Weniger Wahlveranstaltungen
Bei der Mitte organisiere und finanziere die Kantonalpartei die Wahlplakate, erklärt Benjamin Wigger, Vize-Präsident der Mitte Wahlkreis Entlebuch. Für die Suche nach geeigneten Plakatstandorten sowie das Aufstellen seien die Ortsparteien zuständig. «Von diesen haben wir keine Rückmeldungen erhalten, dass es – im Vergleich zu den letzten Wahlen – schwieriger geworden sei, Wahlplakate zu stellen.» Zahlen könne er keine nennen, weil die Kantonalpartei dafür verantwortlich zeichne. Im Vergleich zu 2019 stelle er einen Rückgang an Wahlveranstaltungen fest. Dafür sei die Mitte bedeutend aktiver in den sozialen Medien. Wahlwerbung am Strassenrand werde nur auf Anfrage von Interessierten – auf privatem Grund und Boden – betrieben, lässt Andrea Rüfenacht, Präsidentin der SP Regionalverband Emmental, kurz verlauten.