Wie gewinnt man Stadtberner oder Seeländer für «Emmentalwärts»?

Wie gewinnt man Stadtberner oder Seeländer für «Emmentalwärts»?
Gäbe es einen Kanton Emmental, wäre die Abstimmung über den Kredit für das Verkehrsvorhaben wohl weniger umstritten. / Bild: Jürg Kühni (JKB)
Kanton Bern: Von «Emmentalwärts» würde vor allem die lokale Bevölkerung profitieren – über den Kredit entscheidet aber der gesamte Kanton. Das beeinflusst den Abstimmungskampf.

Das überparteiliche Komitee «Verkehrssanierungen Ja», das letzte Woche an die Öffentlichkeit getreten ist, muss auch Bürgerinnen und Bürger in der Stadt und Agglomeration von Bern, Biel und Thun vom Projekt «Emmentalwärts» überzeugen können. Schliesslich entscheidet am Ende die gesamte Stimmbevölkerung des Kantons über den Kredit in der Höhe von 313,9 Millionen Franken – und die Emmentaler Stimmberechtigten sind klar in der Minderzahl. «Wir haben Botschafter aus allen Teilen des Kantons, die sich für das Projekt einsetzen», nennt Hans Grunder, der das Komitee leitet, eine Massnahme. Die Organisation könne bereits auf die Unterstützung von über 400 Personen zählen. «Es ist wichtig, dass die Menschen ausserhalb des Emmentals die Fakten kennen.»


Umfangreiche Kampagne 

Um die Pro-Argumente zu vermitteln – etwa, dass heute pro Tag rund 20´000 Fahrzeuge durch die Dörfer fahren – realisiert das Komitee auch eine grosse Plakatkampagne und wird Flyer an die Haushalte versenden. Wie Hans Grunder erklärt, liege das Budget bei rund 350´000 Franken. «Man spürt, dass im Emmental die Bereitschaft, die Abstimmungskampagne zu unterstützen, sehr gross ist.» 

Vor fünf Jahren wurde auch viel geweibelt für ein Verkehrsvorhaben, das Tram Bern–Ostmundigen. «Ich erinnere mich noch sehr gut an die Abstimmung», berichtet Grunder. «Ich kämpfte für das Tram und appellierte an die Solidarität im gesamten Kanton – zum Glück hat es geklappt.» Das Emmental sagte damals insgesamt Nein (siehe Kasten). Die beiden Verkehrsvorhaben seien durchaus vergleichbar, sagt Grunder. «Beide sind dringend nötig und beide werden mit Bundesgeldern mitfinanziert.»


«Es gäbe günstigere Massnahmen»

Dass die Verkehrssituation in Burgdorf, Oberburg und Hasle nicht gut ist, anerkennt Andrea Rüfenacht vom Komitee «2x Nein zu den Megastrassen». Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des vorliegenden Projekts «Emmentalwärts» sei aber absolut ungenügend, betont sie. Das habe 2018 auch der Bund in seinem Prüfbericht gerügt. «Es gibt im Kanton Bern viele weitere Dörfer, welche einen ähnlichen oder sogar grösseren Tagesverkehr haben – warum sollte Oberburg bevorzugt werden?» Köniz beispielsweise habe den Verkehr mit viel günstigeren Massnahmen in den Griff bekommen. Andrea Rüfenacht wirbt für einen Ausbau des ÖV-Angebots. «Wenn bei den zwei Bahnübergängen in Burgdorf Unterführungen gebaut sind, wie dies die Variante Null+ vorsieht, kann die BLS die Taktfrequenz noch erhöhen! Einen teuren Strassentunnel, der erst noch den Trinkwasserstrom gefährdet, braucht es dafür nicht.» Ihrer Meinung nach solle zuerst das Verkehrsprojekt in Burgdorf realisiert und dann die Situation neu beurteilt werden. 

Das Komitee, das sich gegen «Emmentalwärts» und auch gegen das Verkehrsvorhaben in Aarwangen wehrt, hat auch Bedenken bezüglich der Kosten. «Es sind riesige Beträge, welche verbaut werden sollen», sagt Andrea Rüfenacht. «Und wir befürchten, dass die Kosten am Ende weit höher ausfallen werden.»


Der Stadt-Land-Graben

Wird das Komitee «2x Nein zu den Megastrassen» vor allem ausserhalb des Emmentals Werbung machen? «Nein, wir wollen nicht die Stadt-Land-Thematik betonen», sagt An­drea Rüfenacht. «Wir werden auch im Emmental versuchen, möglichst viele mit unseren Argumenten zu überzeugen.» 

Hans Grunder vom Komitee «Verkehrssanierungen Ja» hofft logischerweise, dass das Berner Stimmvolk Ja sagt. «Das Emmental hätte dieses gut austarierte Verkehrsprojekt verdient.» Die Kritik, wonach ausschliesslich Massnahmen für den motorisierten Verkehr geplant seien, sei unbegründet. «Es kommt allen zugute, auch dem ÖV. Ich hoffe, dass wir es schaffen, den gesamten Kanton überzeugen zu können.»

Erinnerungen an die Tram-Abstimmung

Die Abstimmung über die Verkehrsprojekte im Emmental und im Oberaargau wecken Erinnerungen an die Abstimmung über das Tram Bern–Ostermundigen vom März 2018. Weil die neue Tramlinie vorwiegend der dortigen Bevölkerung dient, mussten die Befürworter gehörig weibeln und an die Solidarität der Bevölkerung appellieren. Am Ende stimmten 51,6 Prozent der kantonalen Stimmberechtigten für den 264-Millionen-Kredit. Das Emmental lehnte damals die Vorlage mit 52,5 Prozent ab. Die Resultate der einzelnen Gemeinden waren aber recht unterschiedlich. Burgdorf genehmigte den Kredit deutlich; die Zustimmung lag bei 59,1 Prozent. 

In Oberburg sagten 57 Prozent der Stimmberechtigten Nein; in Hasle lag der Nein-Stimmenanteil bei 53,9 Prozent.

Zwischen Bern und Ostermundigen verkehren heute noch keine Trams. Gemäss der Tram Bern-Ostermun-digen AG sollen die Bauarbeiten im kommenden Jahr beginnen.  

26.01.2023 :: Bruno Zürcher (zue)