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Begehrlichkeiten

«Scho chli schad, isch d Wiehnacht scho düre», meint Berthi zu Rösi. Es sei halt doch eine besondere Zeit, zwar manchmal  stressig wegen der Geschenke. Gerne bedanke sie sich bei
Nahestehenden mit einem Gschänkli, aber zu wissen, was die freuen würde, sei nicht ­immer einfach. Sie selber freue sich auch ab komischen Geschenken, denn dass jemand an sie denke, das sei das grösste Geschenk, obwohl sie oft auch sage, sie begehre nichts. 


«Da gibt´s aber auch ganz ­andere», wettert Rösi los. «Du kennst die Neue nicht auf der Abteilung, die macht so auf
unschuldiges, liebes Mütterlein, dabei ist das eine Gibe.» Rösi kann sich kaum fassen und fährt fort: «Wir hatten ja das Fest und man konnte aus­wählen, was man zum Essen wünscht. Die Trucke sass neben mir und sagte auf mehrmaliges Nachfragen mit zartem Stimmchen: «Nenei, i begähre nüt!» Und dann, dann hat sie doch tatsächlich dauernd in meinen Teller gelangt und alle meine Frits aufgefr…. Von wegen, i begähre nüt!» 


Berthi muss lachen, wenn sie sich die Szene vorstellt. Na ja, so falsche Bescheidenheit sei einem ja früher eingetrichtert worden und sie habe schon als Kind oft nicht zu ihren Wünschen und Sehnsüchten stehen dürfen und später sei es ihr peinlich gewesen oder sie habe sich nicht dafür gehabt, ihr
Begehr zu äussern. 

Rösi pflichtet ihr bei, ja das habe sie auch erst spät gemerkt. Sich ernst zu nehmen und zu sich ehrlich zu sein, das tue einem letztlich besser, wenn auch das nicht heisse, dass man alles bekomme, was man wolle und auch nicht alles so eine tolle Idee sei. Ihr habe geholfen, alle Wünsche und Sehnsüchte zuerst Gott zu sagen, dann sei sie wie bereiter gewesen, das Geschenk zu packen, wenn es komme und wenn es nicht komme, so sei das wohl auch gut gewesen. Ganz gemäss dem Vers: «Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird´s wohl machen.» (Psalm 37, 5).

«Stimmt!», meint Berthi, «und jetzt lade ich dich zu einem grossen Teller Pommes in ­deiner Lieblingsbeiz ein!»

29.12.2022 :: Jasmin Steffen