«Wir wollen die Schule Wiggen erhalten – um jeden Preis»

«Wir wollen die Schule Wiggen  erhalten – um jeden Preis»
Gemeinderätin Ruth Rava-Stalder (Dritte von rechts) nimmt den Check über 100’000 Franken entgegen. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Wiggen: Nach massiver Kritik beschloss der Gemeinderat, in Wiggen eine Klasse zu belassen. Die Bevölkerung will weiterhin beide Klassen und startete eine aussergewöhnliche Aktion.

Ein Gemeinderat müsste hocherfreut sein, wenn Bürgerinnen und Bürger  der Gemeinde einen Check übergeben wollen; viel mehr noch, wenn auf diesem der Betrag von 100´000 Franken zu lesen ist. 

Freudig überrascht zeigte sich der Gemeinderat Escholzmatt-Marbach am Mittwochmorgen nicht wirklich; eher etwas überrumpelt und nervös. Das lag sicher auch daran, dass er zwar wusste, dass er von der Bevölkerung aus Wiggen etwas in Empfang nehmen kann – aber nicht genau, was. 

Waren es zuletzt zwei Petitionen (siehe Kasten), handelte es sich nun um einen Check. Als die fünfköpfige Gruppe diesen im Sitzungszimmer dem Gemeinderat präsentierte, war die Presse auf Anordnung des
Gemeindepräsidenten Beat Duss
ausgeschlossen. Anschliessend stand Gemeinderätin Ruth Rava-Stalder, welche dem Ressort Bildung Jugend vorsteht, für einen Fototermin zur Verfügung. 


Schliessung aus finanziellen Gründen

Übergeben wurde das Papier von einer Gruppe junger Menschen aus Wiggen. «An den Informationsanlässen zur Zukunft der Schule Wiggen hat uns der Gemeinderat informiert, dass vor allem aus finanziellen Gründen eine Klasse geschlossen werden solle», berichtet Leandra Bieri. Auch habe der Gemeinderat verlauten lassen, man solle halt einen Sponsor suchen, der die zweite Klasse finanziere. Der Gemeinderat habe den Betrag von 100´000 Franken genannt, der eingespart werden könne, wenn die Schülerinnen und Schüler der 3. bis 6. Klasse aus Wiggen künftig an den Standorten Escholzmatt und Marbach unterrichtet würden. 

Bei der Gruppe handelt es sich nicht um das Komitee, das die Unterschriften für die beiden Petitionen sammelte. «Das Komitee unterstützte uns aber und steht voll hinter uns», berichtet Leandra Bieri. Rasch war klar, dass die jungen Leute versuchen wollen,  die 100´000 Franken aufzutreiben. «Wir hatten den Betrag rasch zusammen», berichtet die Gruppe nach der Check-Übergabe. Rund 60 Personen hätten eine Zusicherungserklärung unterzeichnet, dass sie ihren Betrag für den Betrieb dieser Schulklasse in Wiggen spenden würden. «Das Ergebnis zeigt, wie sehr Wiggen an der Schule hängt», sagt Dominik Bieri. «Wir wollen die Schule um jeden Preis erhalten.» 


Jetzt handeln

Sie würden den Check bereits jetzt dem Gemeinderat übergeben, weil die Klasseneinteilungen für das nächste Schuljahr noch nicht gemacht seien. «Sonst bringt es nichts mehr», sagt Leandra Bieri. Die Gruppe ist sich bewusst, dass nicht klar ist, ob die Gemeinde das Geld für den Betrieb einer Klasse überhaupt annehmen darf (siehe unten). 

Gemeinderätin Ruth Rava-Stalder sagte, dass der Gemeinderat der Gruppe bis Ende Januar Bescheid geben wolle,  wie es weitergehe.

Bevölkerung wehrte sich mit zwei Petitionen

Im Herbst 2020 hatte der Gemeinderat Escholzmatt-Marbach beschlossen, die Schule in Wiggen im Sommer 2023 zu schliessen. Der Gemeinderat begründete den Entscheid mit sinkenden Schülerzahlen, zudem zeigten sich diesbezüglich «keine Anzeichen für Veränderungen». 

Die Bewohnerinnen und Bewohner des Schulkreises Wiggen wehrten sich mit einer Petition gegen die angekündigte Schliessung. Der Gemeinderat prüfte die Petition, hielt aber an seinem Entscheid fest.

Im Mai dieses Jahres doppelte das Komitee nach: Es reichte eine zweite Petition ein, welche die Erhaltung aller drei Schulstandorte (Wiggen, Escholzmatt und Marbach) forderte. 1251 Personen unterzeichneten das Papier, was rund 37 Prozent der Stimmberechtigten entspricht. 

Dieses Zeichen bewog dann den Gemeinderat, von seinem Entscheid abzurücken: Die Schule Wiggen (wo derzeit 39 Kinder unterrichtet werden, Tendenz steigend) solle im Sommer 2023 nicht ganz geschlossen werden; die Kinder der Basisstufe sollen weiterhin dort unterrichtet werden – die Dritt- bis Sechst--Klässler aber nicht mehr.
Der Gemeinderat Escholzmatt-Marbach teilte mit, dass er sich davon Einsparungen in der Grössenordnung von 100´000 Franken verspricht.  

Rechtliche Fragen

Grundsätzlich könne eine Gemeinde eine Spende annehmen und diese in einem zweckgebundenen Fonds verwalten, schreibt das kantonale Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) auf Anfrage. Je nach Zweck sei ein Reglement über die Fondsverwaltung zu erstellen. 

«Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Spende für obligatorisch zu erbringende staatliche Leistungen verwendet werden darf oder – was gemäss ersten, aber nicht abschliessenden Abklärungen eher zulässig wäre – für zusätzliche, freiwillige Angebote der Volks-schule eingesetzt wird», schreibt das JSD weiter. 

08.12.2022 :: Bruno Zürcher (zue)