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Da hilft auch kein «Hopp, hopp, hopp!»

Ein Infoblatt flattert auf unseren ­Küchentisch: Der obligatorische Schulsporttag steht an. Als Folge davon ­halten Seufzen und Augenverdrehen Einzug in unser Heim, wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr werde ich an die Sporttage meiner Schulzeit erinnert. Sie waren mir zuwider. Wer wird schon gerne zu einem Wettkampf genötigt, bei dem einem die Disziplinen nicht liegen?

Und dann gab es da noch diesen einen Schüler, nennen wir ihn Chrigi. Für uns übrigen sportlich Minderbegabten war es eine beruhigende und zugleich beschämende Gewissheit: Wir würden ­wenigstens nicht letzte sein. Auf Chrigis Versagen war Verlass. Sein Name stand zuunterst auf der Rangliste, in allen Disziplinen. Immer. 

Dafür konnte er Blockflöte spielen wie durch sieben Gemeinden kein Zweiter. Und wir alle wissen: Schön Blockflöte spielen ist wahrlich eine Kunst. Nur erhielt Chrigi dafür keine Medaille. Nie hing im Schulhaus ein Klassement, das schwarz auf weiss bezeugte, wer der beste Flötler war. Warum auch? Es stand ja auch nicht am schwarzen Brett, wer am sichersten Französischverben konjugierte.

Hingegen, dass Toni den Ball am weitesten über den Sportplatz schmeissen konnte, Dimi am schnellsten die Kletterstange erklomm und Franz beim Hochsprung Jahr für Jahr den Schulhausrekord brach, das wurde öffentlich gemacht. Und in sadistischer Selbstverständlichkeit auch, wer das untere Ende der Messlatte markierte: Chrigi.

Der Sporttag war sein Walk of Shame, die Rangliste sein Pranger. Für ihn war Sporttag = Spott-Tag. Warf Chrigi einen Ball, landete dieser jeweils unmittelbar vor seinen Füssen. An der Kletterstange blieb Chrigi wenige Zentimeter über der Erde hängen, so lange, bis die ­Lehrerin ihm mitleidig erlaubte aufzugeben. Und beim Hochsprung rannte Chrigi mit hoch erhobenen Armen geradeaus in die Latte. Mit einem kümmerlichen abschliessenden Hüpfer schaffte er es noch «häbchläb» auf die Matte. Er hatte die Grazie eines Sacks Kartoffeln und die Körperspannung einer gekochten Nudel. Dieses Kind war die Unsportlichkeit in Person.

Wäre Flöteln Sporttag-Disziplin ge­wesen, Chrigi hätte sich mit Leichtigkeit auf das Podest geflötelt, stattdessen pfiff er beim Ausdauerlauf schon nach einer halben Runde nur noch auf dem letzten Loch.

Ja, der Chrigi. Kinder wie ihn gibt es in jedem Schulhaus. Nach Abschluss der Schule frönen die wenigsten weiterhin der Leichtathletik. Das ist Nachhaltigkeit. 

Was Chrigi heute wohl so treibt? Sport sicher nicht, der ist ihm verleidet. Ob er noch flötelt? Ich wünsche es ihm. 

07.07.2022 :: Peter Heiniger