Das Buch entstand nach 200 Jahren – auch die Vernissage war verspätet

Das Buch entstand nach 200 Jahren – auch die Vernissage war verspätet
Für Pfarrer Rudolf Fetscherin war ein «gezüpfleter» Miststock keine geringe Zierde eines Emmentaler Bauernhofes. Bild: Gemeinde Sumiswald
Sumiswald: «Die Vernissage zum Buch «Die Gemeinde Sumiswald vor 200 Jahren» konnte letzten Herbst nicht öffentlich durchgeführt werden. Dies hat die Bibliothek nun nachgeholt.

Anno 1826 hat der Gemeindepfarrer Rudolf Fetscherin die Gemeinde Sumiswald ausführlich dargestellt. In seinem «Versuch einer Topographie der Gemeinde Sumiswald» beschrieb er Geographie, Natur, Menschen, Handel, Gewerbe und vieles mehr. Für sein umfassendes Werk wurde der Theologe von der Ökonomischen Gesellschaft des Kantons Bern mit einer goldenen Medaille ausgezeichnet. Die detaillierten Aufzeichnungen der hiesigen Lebensumstände zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden jedoch nie gedruckt oder publiziert. Das 191-seitige Original mit seinen 28 Kapiteln lagerte fast 200 Jahre im Gemeindearchiv. In den letzten Jahren hat sich der pensionierte Sumiswalder Lehrer und Ehrenbürger Dieter Sigrist eingehend mit der historischen Fetscherin-Lektüre befasst. Vergangenen Herbst hat er die textlich überarbeitete und passend bebilderte Chronik unter dem Titel «Sumiswald vor zweihundert Jahren» in Eigenregie herausgegeben. Wegen der Corona-Schutzmassnahmen konnte die offizielle Vernissage in der Schulhaus-Aula nicht öffentlich stattfinden. «Dieser Umstand veranlasste jetzt die Bibliothek Sumiswald einen Publikumsanlass mit Buchautor Dieter Sigrist zu veranstalten», erklärte die Leiterin Yvonne Stalder. 50 Personen fanden letzten Donnerstag den Weg ins Sumiswalder Kirchgemeindehaus, wo die Bibliothek im Parterre eingemietet ist. 


Möglichst original übernommen

«Fetscherins Text wurde in meiner Überarbeitung möglichst in seiner originalen Form übernommen und nur Änderungen im Sinn einer verständlicheren Sprache und einer besseren Lesbarkeit vorgenommen. Die Zeichensetzungen habe ich den aktuellen Gepflogenheiten angepasst und heute nicht mehr gebräuchliche Wörter und Ausdrücke ersetzt oder in Klammern erklärt. Alle Ortsnamen entsprechen der heutigen Schreibweise», erläuterte Dieter Sigrist nach der Vorstellung von Pfarrer Rudolf Fetscherin (geb. 1780), welcher von 1818 bis zu seinem Tod im Jahre 1851 in Sumiswald als Seelsorger wirkte und auf dem Pfrundgut mit viel Eifer und grosser Sachkenntnis bauerte. 

Im zweiten Teil des Abends las der Buchautor aus einzelnen Kapiteln vor. 


Vielerorts herrschte Armut

Grossen Stellenwert hatte in Fetscherins Werk offensichtlich die weitverbreitete Armut. Um dieser Einhalt zu gebieten, wurde der Landbau insgemein forciert. In diesem Kapitel berichtet Fetscherin über die Sonnen- und Schattseiten der damaligen Landwirtschaft. Pachtverträge und -zinsen kommen ebenso zur Sprache wie die Düngung des Bodens oder das Wetteifern um schön geflochtene Miststöcke. «Letztere werden in geringer Entfernung zu den Ställen in einer Vertiefung angebracht; doch so, dass die Jauche in einen eigenen Sammler oder noch lieber in den vom Brunnenauslauf gebildeten Weiher fliesst - sich mit dessen Wasser vermischt - und so der Wässerung des tieferen Landes die rechte Nahrung gibt», zitierte Sigrist eine Textpassage. Für Staunen sorgten ausserdem die akribischen Verzeichnisse sämtlicher Höfe, Güter und Handwerksbetriebe der Gemeinde von 1826. 

19.05.2022 :: Ulrich Steiner (uss)