Blicken Sie da durch?

Blicken Sie da durch?
Wo sich das farbige Licht überlappt, entstehen neue Farben. / Bild: zvg
Walkringen: Blinzeln, starren, hinschauen, wegschauen, durchschauen – unser Auge scheint ein Eigenleben zu führen. Dem kann man beim Besuch der Ausstellung «Farbe erleben» im Sensorium auf die Schliche kommen.

«Mach doch das Blau noch blauer und das Grün noch grüner», zitierte Festredner Bart Léon van Doorn am vergangenen Freitag bei der Ausstellungseröffnung «Farbe erleben» aus «Gespräch mit Gott», der antwortete: «Das könnt ihr nur selber.» Damit spielte van Doorn auf die visuelle Wahrnehmung an, die nahezu jedem Menschen gegeben sei. Der Sensorium-Geschäftsleiter Daniel Schmezer betonte in seiner Begrüssung, dass es beim Betrachten kein richtig oder falsch gebe. Denn unser Sehsinn agiere sensibel, und unser Eindruck von Farben müsse nicht der des anderen sein. 


Eintauchen in die Welt der Farben 

Im ersten Stock des Sensoriums betritt der Besuchende eine eigene Welt der Farben mit 25 interaktiven Stationen. Hier können Entstehung, Verhalten und Zusammenspiel von Licht und Farbe aktiv erforscht und erlebt werden. Farbe, Licht und Dunkelheit verführen zum Experimentieren mit Spek-
tren, Spiegeln und spannenden Aufbauten, die alle in der einen oder anderen Weise mit Farbe zu tun haben. 

Licht und Dunkelheit, Spektrum und Farbmischung, Optik, Polarisation, physiologische Farben, Täuschungen und Phänomene unseres Sehsinns werden auf oft verblüffende Weise erlebbar und plausibel gemacht. Farbe und Licht und deren Zusammenhänge und Wechselwirkungen gilt es zu entdecken. Wer sich in der Schule im Physikunterricht mit dieser Thematik an Papp-Schautafeln die Zähne ausbiss, hätte sich stattdessen diese Erlebniswelt gewünscht.  Auch dem Fach Biologie mit dem Bereich Sinnesphysiologie hätte es gut angestanden, einen solch anschaulichen Unterricht zu präsentieren. Hängengeblieben ist allenfalls, dass der Sehnerv aus Stäbchen und Zapfen besteht. Wer sich das vorstellen konnte, gehörte zu den Begabteren der Abstraktion. 


Quitschbunt bis mausgrau

Doch wie es sich anfühlt, aus dem sonnigen Garten ins schattige Haus zu treten, weiss jeder: Alles erscheint grau, bis sich diese Stäbchen und Zapfen wieder berappelt haben. Umgekehrt kneifen wir die Augen zusammen, wenn wir ins gleissende Sonnenlicht treten, um überhaupt etwas sehen zu können. Sehr schön kann das nachempfunden werden in einer Ecke der Ausstellung: Verschiedenfarbige Würfel werden hier unterschiedlichen Lichtverhältnissen ausgesetzt und verblüffen durch ihr fast magisches Farbspiel von quietschbunt bis mausgrau. 

Wer im Physikunterricht eingeschlafen ist, als die additive und subtraktive Farbmischungen drankamen, kann in einem Raum prima nachsitzen und das Versäumte aufholen. Durch drei farbige Scheinwerfer, ein Spiegel und zwei Leinwände entstehen weisse oder gefärbte Schatten auf der einen und farbige Lichtkreise auf der anderen Leinwand. Der Raum lädt zum Schattenspiel mit ganzem Körper ein. 

Ohne die Romantik eines Sonnenuntergangs von der Hand zu weisen, kann in der Ausstellung verstehen, warum «bei Capri die goldene Sonne im Meer versinkt». Hier ist eine Glühbirne die Sonne, die durch einen Wasserbehälter mit leicht trüber Flüssigkeit scheint. Je tiefer man in die Hocke geht und durch das Trübe schaut, desto mehr verfärbt sich die «Sonne». 

Verblüffend und doch logisch erscheint die Erkenntnis, dass man Licht nur dann sieht, wenn es auf ein Objekt auftrifft. In einem Kasten, in den man greifen kann, wird das deutlich. Dass Schatten nicht immer dunkel sind, eine Glasscheibe mit Klebestreifen zum optischen Feuerwerk mutieren kann oder warum ein Punkt auf einer weissen Fläche erscheint, obwohl da gar keiner ist – das alles und vieles mehr macht die Ausstellung «Farbe erleben» zu einem spannenden Vergnügen; für Einzelpersonen, Gruppen und Familien. Die Ausstellung kann bis Ende des Jahres besucht werden.

17.02.2022 :: Christina Burghagen (cbs)