Der Weg nach Peking – ein Wechselbad der Gefühle

Der Weg nach Peking – ein Wechselbad der Gefühle
Snowboardcrosserin Sina Siegenthaler daheim am Packen. Morgen fliegt sie ab zu den Olympischen Spielen. / Bild: zvg
Olympia: Morgen beginnen in Peking die Olympischen Winterspiele. Mit dabei ist auch Snowboarderin Sina Siegenthaler. Sie hat in den vergangenen Wochen Hochs und Tiefs erlebt.

«Ein positiver Test – und der Traum ist aus. Das hemmt die Vorfreude
ungemein», sagt die 21-jährige Snowboardcross-Fahrerin Sina Siegenthaler. Dabei ist respektive war Covid-19 für die Schangnauerin nicht der einzige Unsicherheitsfaktor. Bis letztes Wochenende wusste sie nämlich nicht, ob sie überhaupt wieder auf dem Snowboard stehen, Rennen fahren und somit nach Peking fliegen kann. 


Langwierige Reha

Dabei hatte Anfang Winter alles so gut ausgesehen. Sina Siegenthaler war zuversichtlich, nach überstandenem Pfeifferschen Drüsenfieber wieder voll angreifen zu können, die Selektionskriterien zu erfüllen und fit und munter an die Olympischen Spiele mitgehen zu dürfen. Um die Strecke des Secret-Garden-Resorts in China schon einmal zu erleben, ist sie extra schon im November für ein Weltcuprennen dorthin geflogen. Sie wurde Elfte und war mit dem Saisoneinstieg zufrieden.

Doch es blieb bei diesem einen Rennen. Denn kurz danach stürzte sie im Training und durfte fortan nicht mehr auf das Brett stehen. Statt Routine und Sicherheit auf den verschiedenen Weltcup-Strecken zu gewinnen, musste Sina Siegenthaler ihr Knie operieren und auskurieren. Lange musste die Schangnauerin an Krücken gehen. Nach durchgemachter Corona-Infektion absolvierte sie letzten Sonntag nun ein erstes Training auf dem Schnee. Dieses sei gut verlaufen, berichtet sie. «In gewissen Winkeln spüre ich die Kniescheibe noch, aber es ist gut aushaltbar.»


Wenig Erwartungen

Ihren Optimismus hat Sina Siegen-
thaler nicht verloren. Und mittlerweile ist ein Teil ihres Traumes doch noch in Erfüllung gegangen: Sie wurde für die Olympischen Spiele selektioniert. Möglich wurde dies dank einer speziellen Medizinalklausel und weil sie als Nachwuchs-Hoffnung für die nächsten Olympischen Spiele gilt. «Seit ich davon weiss, habe ich wenig und schlecht geschlafen. Ich freute mich über die Selektion, obschon es etwas komisch anmutet, dass man noch an Krücken gehend zur Schweizer Olympia-Delegation gehört», gibt Siegenthaler mit einem Schmunzeln zu. Gleichzeitig sagt sie aber auch: «Ich musste mich etwas abschotten vom ganzen Drumherum, um mich auf die Genesung konzentrieren zu können.»

Morgen Freitag fliegt Sina Siegen-thaler ab in Richtung Peking. Ihre Vorbereitung verlief anders, als man es sich gemeinhin vorstellt. «Ich gehe mit wenig Erwartungen. Normalerweise würde ich mir im Vornherein ein klares Ziel setzen, nun bin ich schon froh, wenn ich überhaupt an den Start darf», erklärt die junge Frau. Da sie seit der Reha nie auf einem Kurs gefahren sei, könne sie überhaupt nicht einschätzen, wie sie mental mit ihrem Zustand umgehen könne. «Es kann sein, dass es mir schwer fallen wird, die Verletzung auszublenden. Das vordere Bein belasten und ihm voll vertrauen, wird nach einer so langen Schonzeit eine Herausforderung. Diese nehme ich aber an.» Ob dieses Unterfangen aufgeht, wird sie erst nach den ersten paar Trainingsläufen spüren.


Spezielle Atmosphäre

Insgeheim wünscht sich Sina Siegen­thaler bei ihrer ersten Olympia-Teilnahme schon, dass sie sich wenigstens für die Hauptläufe qualifizieren kann. Immerhin einen kleinen Vorteil hat sie: Den Kurs in Secret Garden ist sie schon gefahren – und er liegt ihr. «Ich denke, sie werden den Kurs vom vergangenen November noch etwas verändert haben. Aber das Grundgerüst bleibt und es ist auf jeden Fall ein Kurs, den man fein fahren und auf dem man gleiten muss. Bei einem Fehler verliert man schnell an Tempo.»

Olympia hat einen ganz besonderen Reiz. Athletinnen und Athleten unterschiedlichster Länder und Sportarten kommen miteinander in Kontakt. Normalerweise. Dieses Mal wird das coronabedingt nicht möglich sein. Wie geht Sina Siegenthaler damit um? «Ich hatte mich schon gefreut, Wettkämpfe meiner Kollegen besuchen zu können», sagt die Schangnauerin. Nun werde man halt ziemlich unter sich bleiben müssen. «Das ist etwas schade. Da ich aber keine Vergleichsmöglichkeiten habe, wie die Olympischen Spiele vom sozialen Faktor her sonst sind, werde ich das auch nicht vermissen.»

03.02.2022 :: Olivia Portmann (opk)