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Schön ist nicht gleich schön

Schön ist nicht gleich schön
Heiri Bachmann begutachtet das Gefieder einer Susex-Henne. / Bild: Jakob Hofstetter (jhk)
Schüpbach: Über 500 Kaninchen präsentierten sich an der Emmentalischen Kleintierausstellung. Dazu viele Hühner, Enten, Tauben und Ziergeflügel. «Wir konnten aus einer Vielzahl exzellenter Tiere die Miss und den Mister erküren» lobten die Experten die Emmentaler Züchterinnen und Züchter.

Nicht weniger als 15 Experten beurteilten am Samstagmorgen in der Markthalle Schüpbach die gut 800 Tiere. Heiri Bachmann ist einer von ihnen. Er hat sich bereits vor den Geflügelkäfigen eingerichtet. Ein Bügelbrett dient ihm als Tisch, darauf stehen Schreibzeug, die Bewertungskarten, sein Stempel und – ganz wichtig – der europäische Standard. Das ist ein dickes Buch, in welchem jede Rasse mit ihren Merkmalen genau beschrieben ist. Als langjähriger Geflügelexperte hat der pensionierte Verwaltungsangestellte aus Steffisburg vieles verinnerlicht. Trotzdem ist hin und wieder ein Blick in das dicke Buch nötig. Körperbau, Gefiederstruktur, Farbe und Glanz, Kamm – alles prüft Bachmann genauestens, schreibt sein Urteil auf ein Notenblatt, und ein Helfer bringt dieses ins Ausstellungsbüro zur Weiterverarbeitung. «Es hat sehr viele ausgesprochen schöne Tiere hier», sagt Heiri Bachmann begeistert, als er einen für den Laien prächtigen Hahn aus dem Käfig nimmt. Kaum gesagt, verfinstert sich seine Mine. «Nein, so was, schade, einfach schade!», seufzt er. «Es wäre ein wunderschönes Tier, aber ich muss es ausschliessen.» Ausschliessen? «Ja, die Henne hat einen Doppelzacken im Kamm, es sieht aus wie ein M, das ist ein Ausschlussfehler», erklärt der Experte. 

Nun gehts wieder flott weiter. Bis Bachmann unterbrochen wird: «Heiri, chunsch mau cho luege?», wird er von einem Kollegen gerufen. Der pensionierte Herr ist Hans­peter Schürch, der bis vor anderthalb Jahren den Migros-Markt in Langnau geführt hat. Heute amtet er als Ziergeflügelexperte und hat gerade einen Veilchenenten-Erpel zu bewerten. Dieser sollte einen veilchenblauen Schopf auf dem Kopf aufweisen. «Der ist etwas schwach ausgebildet. Was meinst du, Heiri, genügt das?» Heiri meint ja, bei wärmerer Temperatur werde dieser dann besser sichtbar. Auch das Weibchen präsentiert sich nicht optimal. «Der weisse Schnabelring dürfte etwas deutlicher sein», so Schürchs Urteil. 


Unterwolle, Deckhaare und Grannenhaare

Vor den Kaninchenkäfigen wird ebenfalls konzentriert gearbeitet. Mit von der Partie ist Stefan Röthlisberger aus Bleiken. Im Berufsleben Polizist, widmet er einen grossen Teil seiner Freizeit der Kleintierzucht. Er interessiere sich von Kindesbeinen an für dieses Hobby, obwohl er nicht in einer «Chüngeler»-Familie aufgewachsen sei, sagt er. Was macht seine Begeisterung aus? «Allein schon der Jahreszyklus ist faszinierend. Das Frühlingserwachen in den Kaninchenställen, dann die Entwicklung der Jungtiere zu beobachten, alles zu geben, damit die Tiere möglichst gut gedeihen können. Und natürlich hat auch der Wettbewerb seinen Reiz.» Schon wendet er sich dem nächsten Kaninchen zu. Schliesslich gehen an diesem Vormittag über 60 Tiere über seinen Tisch. Jedes wird gewogen. Das Idealgewicht ist, wie alle anderen Merkmale für jede der 45 in der Schweiz zugelassenen Rassen, im Standard festgelegt. Geprüft wird unter anderem die Zahnstellung; die oberen Zähne müssen die unteren überlappen, also kein Gebiss wie eine Beisszange. Dann die Krallen, vorne fünf, hinten vier. Stefan Röthlisberger tastet das ganze Tier ab, Brust, Rücken, Becken, misst Ohrenlänge, kontrolliert das Geschlecht, eine gut anliegende Fellhaut ist wichtig, dann die Unterwolle, Deckhaare und die überstehenden Grannenhaare. Je nach Rasse unterscheiden sich einige der Bewertungsmerkmale. Bei den gescheckten Tieren zum Beispiel achtet er auf die richtige Anordnung der Farbtupfer.  


100 Tage für die Expertenausbildung

«Alle der schweizweit drei Expertinnen und 42 Experten, die an Ausstellungen Kaninchen bewerten, haben rund 100 Tage aufgewendet, bis sie nach drei Jahren die Prüfung ablegen konnten», weiss Stefan Röthlisberger, der die schweizerische Expertenkommission präsidiert. Er selber investiert seit Jahren viel Zeit in dieses Hobby. Er hat auch an der letzten Überarbeitung des Standards 2015 mitgearbeitet und weiss schon deshalb ganz genau, was ein Kaninchen bieten muss, um sich als Spitzentier feiern lassen zu können. Doch Röthlisberger ist überzeugt, dass der Erfolg lediglich zu 50 Prozent von den eigentlichen Zuchtbemühungen abhängt: «Ob aus einem durchschnittlichen Kaninchen ein Spitzentier wird, darüber entscheidet zur anderen Hälfte die Haltung; unter anderem kommt der Fütterung eine grosse Bedeutung zu.»

Die Emmentaler Züchterinnen und Züchter scheinen dies begriffen zu haben. An der Ausstellung in Schüpbach würden überdurchschnittlich viele Schweizermeisterinnen und Schweizermeister ausstellen, sagt Röthlisberger, und er erhält Zustimmung von seinen auswärtigen Experten-Kollegen. 


Sehen Sie sich den Kurzfilm über die Emmentalische Kleintierausstellung in Schüpbach hier an.
27.01.2022 :: Jakob Hofstetter (jhk)