Error compiling Razor Template (contact the administrator for more details)

«Dasch aupott noche!»

Die Nachbarin sei jetzt aber auch gar schlecht drauf, meint Berthi zu Rösi. Jetzt habe sie ihr zum Geburtstag gratulieren und sie mit einem schönen Strauss gekaufter Blumen erfreuen wollen, weil es ja momentan draussen nicht blüht. Aber die Nachbarin habe sich gar nicht gefreut und gefeiert. «Dasch afang aupott noche!», habe sie gesagt, das sei sich jetzt nicht «dr wärt» zu feiern, und drum wurde auch nur ein fader Kaffee mit übrig gebliebenen Weihnachtsguetzli aufgetischt, und zwar die «abverheiten». Berthi ist immer noch ganz empört. «Ja weisst du», meint Rösi, «ich kann das schon ein wenig nachvollziehen. Sicher hatte sie Freude, dass du an sie denkst, aber es macht einem schon Angst, wie die Zeit vergeht.» Es gehe ihr wirklich manchmal auch so, sinniert sie weiter, sie müsse doch manchmal ausrechnen, wie alt sie jetzt sei, denn die genaue Zahl an Lebensjahren sei ihr auch nicht mehr immer präsent. Und komme noch dazu, dass einem halt jeder Geburtstag bewusst mache, dass Lebenszeit vergangen sei und dass einem wieder ein Jahr weniger bleibe. Ab einem gewissen Alter erinnere der Geburtstag immer mehr an die Endlichkeit und Vergänglichkeit unseres Daseins. Und das könne einem schon beschweren, dass man eben gar nicht dran erinnert werden will. 

Das habe was, gesteht Berthi. In verschiedenen Momenten des Lebens habe ihr selber auch das Psalmwort «Meine Zeit steht in deinen Händen, Gott!» (Ps. 31) die Angst vor der Zukunft gelindert und Mut gegeben, den Moment zu leben, zu gestalten und zu geniessen.

«Ja genau!», meint Rösi, «das erinnert mich an ein Gedicht, das wir mal auswendig lernen mussten: 

Mein sind die Jahre nicht, die mir die Zeit genommen; mein sind die Jahre nicht, die etwa mögen kommen; der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht, so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht.» (Andreas Gryphius)

27.01.2022 :: Jasmin Steffen