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Sauglatt

Nein, aus mir wird definitiv kein zweiter Stéphane Lambiel, stellte ich unlängst fest. Und auch keine neue
Denise Biellmann.

Schlittschuhlaufen aus Selbstlosigkeit, das geht. Was tut man nicht alles, den Kindern zuliebe? Schliesslich sind wir an der frischen Luft und das Eisfeld ist ja auch eine glatte Sache, gerade in Zeiten wie diesen.

Der Anblick eines unbeholfenen Anfängers, wie ich einer bin, lässt beim Betrachten das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit schwinden. Angesichts meines Unvermögens auf den Kufen müssen sich alle anderen geradezu erhaben gefühlt haben.

Mit der Anmut eines Hackklotzes schlitterte ich über das Eis, breitbeinig und mit ausgestreckten Armen um Gleichgewicht rudernd, die Augen schreckensweit. Links und rechts wischten Schlöfler und Schlöflerinnen an mir vorbei, als wäre es die leichteste Sache der Welt.

Wie fällt man am besten, fragte ich mich. Welche Gliedmasse kann ich am ehesten eine Weile entbehren? Arm oder Bein? Wo ist der Schmerz erträglicher? Kinn oder Steiss? Warum tue ich mir das an?

Bei Minustemperaturen streuen wir Salz, Kies, Asche, Sägemehl, wir tragen Schuhwerk mit rutschfesten Sohlen, wir montieren Spikes. Wir tun alles, um nicht den Halt zu verlieren. Aber auf der Eisbahn, da ist Gleiten gewollt und Glätte gewünscht. Der blanke Wahnsinn!

Tut man etwas im Wissen, dass es einen dabei mit grosser Wahrscheinlichkeit auf den Latz haut, dann lässt man es doch wohl besser bleiben, oder nicht? Wenn wir zu meiner Schulzeit mit der Klasse aufs Eis sollten, habe ich meine Teilnahme jeweils mit dieser Begründung verweigert. Die Argumentation schien mir schlüssig. Unser Sportlehrer war nicht meiner Meinung, aber was wollte er machen? Seither sah ich keinen Anlass mehr, eine Eisbahn zu betreten. Warum auch? 

Und nun, Jahrzehnte später, kämpfte ich mich auf zittrigen Kufen der gegenüberliegenden Eisfeldbegrenzung entgegen. Als ich sie endlich erreichte, klammerte ich mich wie ein Ertrinkender daran fest. «Alles in Ordnung bei dir?», fragte mich der Eismeister. – «Alles bestens.» – «Hast du die Schuhe gut gebunden? Solange du die Schuhe gut gebunden hast, kann kaum etwas passieren.» Vielen Dank, ich werde daran denken, wenn mein Schädel aufs Eis knallt, dachte ich.

Wider Erwarten blieb ich auf den Füssen, die ganzen drei Runden. Ob es an den gut geschnürten Schuhen lag? Und wider Erwarten habe ich es sogar ein wenig genossen. Hals und Bein sind heil geblieben, aber das Eis ist gebrochen. Merci.

20.01.2022 :: Peter Heiniger