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Wie eine Reise zum Mond

Vollmundig teilte ich meinen Lieben 2020 mit: «An meinem runden Geburtstag nächstes Jahr werde ich im T-Shirt mit meinen Töchtern am Strand sitzen!» Sie müssen dazu wissen, dass ich kurz vor Weihnachten geboren bin und zu diesen armen Schweinen gehöre, die sich Sätze anhören müssen wie: «Ach ja, du hast ja auch noch Geburtstag…» oder «Das Geschenk ist für Weihnachten und Geburtstag zusammen …». Das Virus schlug Kapriolen, sodass wir die Reise strichen. Zu blöd war der Gedanke, in der Pandemie angespannt im Flugzeug zu sitzen und nicht zu wissen, was einen am Ziel erwarten würde. Also beschlossen wir, bei der einen Tochter in Süd-Baden Geburtstag und Weihnachten zu feiern. 

Die Anspannung, die ich schon beim Gedanken an die Reise mit Grenze dazwischen verspürte, reichte mir. Immerhin war ich frisch geboostert. Was brauchte ich? Bahnfahrkarten, erste Klasse, Einzelsitz reservieren, damit niemand mich anhusten kann. Die Vorstellung, in der zweiten Klasse dicht gedrängt zu sitzen, machte mich nervös. Check. Ein mehrseitiges Einreiseformular für Deutschland, in dem ich angeben musste, wo ich hinfahre mit genauer Adresse. Check. Ein stets aufgeladenes Smartphone, damit ich mein Impfzertifikat immer abrufen und zeigen kann. Check. Reisepass. Check. Weihnachtsgeschenke. Check. Viele FFP2-Masken. Check. Zudem hatte ich ein Raclette-Öfeli gekauft für den Heiligabend-Schmaus. Check. Dann noch meine Habseligkeiten für fünf Tage. Check.

So rumpelte ich mit meinem Rollkoffer zum Bahnhof, lief in Bern beim Umsteigen Slalom durch all die Menschen und stieg in den ICE nach Berlin. In der ersten Klasse herrschte gähnende Leere. Gespannt wartete ich auf die Grenze. Denn ich rechnete mit, ja was eigentlich? Bis auf eine SMS von der Deutschen Bundesregierung, die mich begrüsste und mir mitteilte, dass ich diese und jene Massnahme einzuhalten habe, passierte nichts. Nicht mal ein Kontrolleur kam vorbei. Diese 200 Kilometer mit dem Zug kamen mir vor wie eine Reise zum Mond. Für die Rückreise füllte ich dann das Einreiseformular für die Schweiz aus. Wieder passierte nichts. Gähnende Leere im Zug. Kein Kontrolleur und niemand, der ein Formular oder Zertifikat sehen wollte. Nicht mal eine SMS bekam ich von der Schweiz. Ich weiss immer noch nicht, ob ich mich darüber freuen oder aufregen soll. Wozu diese ganze Bürokratie, wenn sich niemand dafür interessiert? Heiligabend gab es dann doch kein Raclette, denn das Öfeli hatte einen Schweizer Stecker und ich hatte den Adapter vergessen.

13.01.2022 :: Christina Burghagen (cbs)