Einst Alarmierungspunkte, heute Aussichtspunkte

Einst Alarmierungspunkte, heute Aussichtspunkte
Ausblick von der Hochwacht Chnübeli auf der Honegg auf Niesen und Stockhorn. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Emmental-Entlebuch: Hochwachten, Signalpunkte eines früheren militärischen Frühwarnsystems, sind Orte mit meist herrlicher Aussicht. Die Website www.hochwacht.info vermittelt dazu Fach­wissen und genussvolle Rundblicke.

Mein Wanderkollege und ich ruhten auf einem Bänkli auf der Hochwacht oberhalb Langnau. Ich könne ja, so mein Kollege, ein Website-Projekt zum Thema Hochwachten in Angriff nehmen. Hochwachten sagten mir wenig bis nichts, sodass ich die Idee mal einfach zur Kenntnis nahm – mehr nicht. Doch die vermeintliche Schnapsidee reifte in der Folge mehr und mehr zu einer Idee, die mich nicht mehr losliess.

So entstand www.hochwacht.info. Der Fokus lag zunächst auf dem touristischen Aspekt. Hochwachten liegen immer an erhöhter Lage und bieten in den meisten Fällen eine Panoramasicht. Dienten die Hochwachten seinerzeit militärischen Zwecken der Mobilmachung, sind es heute meist zwar keine touristischen Hotspots, aber doch lohnende Ausflugsziele. Ich begann im Frühjahr 2021 mit den ersten Porträts einzelner Hochwachten. Standardmässig enthalten sind Fotos, genaue Angaben zum Standort, eine Kurzbeschreibung, interaktives Kartenmaterial sowie sukzessive Zitate aus verwendetem Quellmaterial.


Hochwachten in der Region 

Allein im Emmental und Entlebuch liegen zahlreiche Hochwachten. Ein gutes Dutzend davon sind bereits auf der Website dokumentiert. Teils sind sie, wie die Lueg oder der Wachthubel, sehr markant und bekannt, teils eher unscheinbar, wie die Hohwacht oberhalb Lützelflüh oder der Schwendelberg bei Escholzmatt. Zur Hochwacht auf dem Kapf oberhalb Eggiwil schreibt Christian Haldimann von Horben im Jahr 1827: «Gerade ob vorder Kapf, in einer Weide, ist ein Wachtsignal, welches von den Gemeinden Signau und Röthenbach Tag und Nacht bedient wird.»

Die Hochwacht bei Langnau hat insofern eine grosse Bedeutung, als dort das einzige noch erhaltene Wachthaus steht. Das denkmalgeschützte Gebäude dient heute dem Eigentümer als Geräteschuppen und kann leider noch nicht besichtigt werden. Dazu ist in einer historischen Quelle nachzulesen: «Die Umgebung heisst seit alter Zeit ‹zum Strick›; unter dieser Bezeichnung ist die Hochwacht ob Langnau in der bernischen ‹Generaltabelle aller Wacht-Feuren in Ihro Gnaden Teutsch und Weltschen Landen› aufgeführt. In unmittelbarer Nähe des einstigen Chutzen-Platzes träumt im Schatten eines mächtigen, prächtigen Ahorns die im Äußern unverändert gebliebene ehemalige Wachthütte.»


Ehemalige Signalpunkte interessieren 

Auch andere Leute sind an dem Thema dran. «Als naturverbundene, reisefreudige und historisch interessierte Person, die sich über schöne Aussichten freut, entdeckte ich auf einer Wanderung im Sommer 2020 das Thema Hochwachten», erklärt Cristina Rudolph aus Greifenseee. Seither besuche und erfasse sie die ehemaligen Signalpunkte der Schweiz. «Ich dokumentiere das Erlebte mit Text und Fotos möglichst ortsgenau anhand alter Landkarten; beispielsweise mit der Siegfried- oder der Dufourkarte», schildert sie ihr Vorgehen. Sie besuche Online-Archive und lese sich durch Berichte und Akten von früher.

Das Ganze sei wie ein Puzzle, das sie zunehmend fessle, sagt Cristina Rudolph. Kürzlich habe sie das Militärmuseum in Schaffhausen besucht, wo sich die Nachbildung einer Hochwacht – ein Galgen mit Harzpfanne, ein Diorama einer Hochwacht, ein nachgestellter Richtdünkel sowie ein Original-Mörser – befinde. «So macht Geschichte Spass! Es bereitet mir Freude, das Erlebte auf der Website für die interessierte Leserschaft sowie die Nachwelt zu dokumentieren.» 

Wie die Hochwachten entstanden

Die Hochwachten – auch «Chutzen» oder im Französischen «Signal» genannt – bezeichneten markante Punkte auf Berggipfeln (in der Regel nicht höher als 1500 Meter über Meer) oder an anderen markanten Stellen. Die Hochwachten dienten den Kantonen zur Sicherung ihres Gebietes in gefahrvollen Zeiten und waren über die ganze Eidgenossenschaft verteilt.

Jede Hochwacht war mit mindestens zwei weiteren Stationen in Sichtverbindung. Zur Ausstattung gehörten eine Wachthütte, eine Harzpfanne an einem schwenkbaren Gerüst, ein Signalgeschütz sowie ein hoher Holzstoss. Ein Strohdach schützte den Stoss vor Nässe und Fäulnis. Ein Visier-instrument, der sogenannte Richtdeuchel, war ebenfalls vorhanden. Er wurde auf die benachbarten Hochwachten ausgerichtet, sodass mit einem Blick festgestellt werden konnte, ob dort Rauch war oder ein Feuer brannte und als Alarmzeichen weitergegeben werden musste.

Diese Alarmierungsart war im Bernbiet ab Mitte des 15. Jahrhunderts und in der Urschweiz ab 1529 bekannt. Im 17. und 18. Jahrhundert wurde das Netz der Signalpunkte markant ausgebaut. So besass das damalige Bern zwischen Rhein und Genfersee insgesamt 156 Signale. Der Kanton Thurgau hatte 51, Freiburg 33, Zürich 23 und Luzern 17 Hochwachten.

06.01.2022 :: Daniel Schweizer (sdl)