Nette Toiletten: mehr öffentliche WCs dank Partnerschaft mit Betrieben

Nette Toiletten: mehr öffentliche WCs dank Partnerschaft mit Betrieben
Konolfingen: Wenns pressiert, können seit Anfang Jahr an neun Standorten nette Toiletten aufgesucht werden. Deren Benutzung ist kostenlos und ohne schlechtes Gewissen möglich.

Wer kennt diese Situation nicht? Da ist man unterwegs, vielleicht am Wandern, vielleicht am Spazieren mit den Kindern oder Enkeln, und plötzlich eilt es. Man sollte schleunigst ein stilles Örtchen aufsuchen. Doch in einem Restaurant nur die Toilette benutzen, ist nicht die feine Art, und als Alibi einen Kaffee trinken, mag man eigentlich auch nicht. 

Seit Anfang Jahr plagen Bewohner und Besucherinnen von Konolfingen diese Sorge nicht mehr. Sie können sich getrost auf den Weg begeben, denn an neun Standorten stossen sie bei Bedarf auf nette Toiletten. Wobei nett nicht unbedingt die Toiletten sind, sondern die Betriebe, die sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen – gratis und ohne, dass man konsumieren muss. Deren neun sind es in Konolfingen (Standorte siehe Textende). 


Begehung zeigte Mangel auf

Auf das Problem der fehlenden Toiletten aufmerksam gemacht haben Seniorinnen und Senioren. «2019 fand im Rahmen der Umsetzung des Altersleitbildes eine Ortsbegehung statt», erklärt Stefanie Lüthi, Altersbeauftragte der Gemeinde Konolfingen. Dabei seien die Teilnehmenden eine zuvor festgelegte Route abgelaufen und hätten auf Mängel aufmerksam gemacht; etwa Absätze bei Trottoirs, die ein Hindernis darstellen für Rollatoren und Rollstühle, oder fehlende Ruhebänke. «Ein grosses Bedürfnis waren genügend öffentliche WCs.» Stefanie Lüthi nahm das Anliegen auf. Als Projektleiterin in Gemeinwesenarbeit bei Pro Senectute Kanton Bern kannte sie das Konzept der netten Toiletten aus der Stadt Bern und aus Münsingen (siehe Kasten). Dort besteht das Angebot bereits seit einigen Jahren. «Ich informierte mich, wie die Verantwortlichen vorgegangen sind und erhielt gute Unterstützung.» Nachdem der Gemeinderat Konolfingen grünes Licht gab, konnte sie mit der Umsetzung der Idee beginnen. 


Neun haben zugesagt

20 Betriebe und Institutionen hat die Altersbeauftragte angeschrieben, darunter sämtliche Gastrobetriebe, aber auch Heime, die Kirchgemeinden und Läden. Es gab Absagen, etwa wegen eingeschränkter Öffnungszeiten oder wegen Corona, aber auch die Angst vor Vandalismus wurde aufgeführt. Doch am Schluss konnten mit neun Partnern Nutzungsvereinbarungen unterzeichnet werden. «Damit sind wir sehr zufrieden», betont Stefanie Lüthi. «Wichtig war uns auch, in möglichst jedem Ortsteil mindestens eine nette Toilette anzubieten; das ist uns in Ursellen, Stalden und Konolfingen-Dorf gelungen.» Ein Aufkleber an der Eingangstüre macht auf das Angebot aufmerksam.

Die Partner erhalten von der Gemeinde eine jährliche Entschädigung von 300 Franken. Das sei ein symbolischer Unkostenbeitrag, sagt Miriam Gurtner, Gemeinderätin mit dem Ressort Soziales. «Das ganze Projekt beruht auf dem Goodwill der Betriebe.» Doch vielleicht könnten diese durch das Angebot ja auch neue Kundinnen und Kunden gewinnen. 


Ein Jahr schauen, wie es läuft

Während eines Jahres läuft nun das Pilotprojekt. «Dann wollen wir auswerten, wie die netten Toiletten ankommen bei der Bevölkerung, wie sie genutzt werden und welche Erfahrungen die Anbieter machen», erklärt Stefanie Lüthi. Aus der Bevölkerung habe sie bereits im Vorfeld positive Rückmeldungen erhalten. Auch für Gemeinderätin Miriam Gurtner ist schon jetzt klar: «Ein freier, kostenloser Zugang zu Toiletten bringt für die Menschen von Jung bis Alt Lebensqualität und Bewegungsfreiheit.» 

Positive Erfahrungen in Münsingen

In der Gemeinde Münsingen gibts «nette Toiletten» bereits seit 2018. An insgesamt 17 Standorten stünden diese zur Verfügung, sagt Michelle Pürro, die als Sachbearbeiterin Administration das Projekt betreut. Nach einem Jahr habe man eine Auswertung vorgenommen – mit positivem Ergebnis. «Die Betriebe gaben an, keinen nennenswerten Mehraufwand zu haben. Auch Vandalismus war kein Thema.» Wie in Konolfingen werden die Partner mit einer Pauschale von 300 Franken pro Jahr entschädigt. Bei der Nutzung seien sehr unterschiedliche Zahlen genannt worden, sagt Michelle Pürro. Hätten manche Betriebe kaum zusätzliche Besucher festgestellt, seien es bei anderen fünf bis zehn pro Tag. «Dabei ist der Standort entscheidend. Dort, wo viele Leute spazieren, werden die netten Toiletten rege benutzt.» Von der Bevölkerung seien nur positive Rückmeldungen eingetroffen.

06.01.2022 :: Silvia Wullschläger (sws)