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«Uns fehlt das Personal»

Kürzlich titelte eine Tageszeitung im Wirtschaftsteil «Uns fehlt das Personal». Zu meinem Erstaunen war im darauffolgenden Artikel nicht vom Fachkräftemangel im Gesundheitswesen zu lesen, sondern von jenem, welcher die Gastrobranche derzeit erlebt. Und der Personalmangel ist beispielhaft. Ich kenne kaum eine Branche, kaum eine Unternehmung, welche zur Feststellung «uns fehlt das Personal» nicht mit «uns auch» antworten würde. Doch wohin verschwinden denn diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle? Liegt es wirklich nur an der pandemiebedingt eingeschränkteren Mobilität und den ausbleibenden ausländischen Arbeitskräften? Oder trägt auch die zunehmende Akademisierung unserer Gesellschaft ihren Beitrag an den fehlenden Fachkräften bei? Auf unsere Unternehmung und auch diverse Firmen in unserem Umfeld trifft dies auf jeden Fall zu. Bei den Auszubildenden stellen wir fest, dass es immer schwieriger wird, schulisch genügend starke Schülerinnen und Schüler für die Lehre zum Kaufmann beziehungsweise Kauffrau und Anlagen- und Apparatebauerin zu finden. Wer kann, besucht das Gymnasium, die KV-Lehre in einer attraktiveren Branche, im Dienstleistungssektor, im Bankenwesen oder auf einer Verwaltung. Für Gewerbe und Industrie bleiben Jugendliche, welche in ihrer Wunschbranche oder ihrem Wunschberuf keine Lehrstelle gefunden haben. Ausreichend starke Schülerinnen und Schüler bevorzugen den gymnasialen Bildungsweg, und fehlen so in Handwerk und Gewerbe. Mir stellt sich unweigerlich die Frage, weshalb das Schweizer Erfolgsmodell des dualen Bildungsweges in den letzten Jahren an Attraktivität verloren hat. Weshalb geht die Tendenz weg von einer Lehre in einem Betrieb mit gleichzeitiger Gewerbeschule hin zum ausschliesslich schulischen Bildungsweg mit anschliessendem Studium. Ein ähnliches Bild zeichnet sich in unserer Unternehmung auch bei der Installation von erneuerbaren Heizungen und Solaranlagen. Uns fehlen nicht studierte Mitarbeitende, welche im Büro für Planung und Berechnung von Solarsystemen zuständig sind, sondern Handwerker, welche diese Anlagen draussen bei Wind und Wetter installieren und in Betrieb nehmen. Im grösseren Kontext stellt sich mir die Frage «hat sich das Industrieland Schweiz schleichend zu einem reinen Dienstleistungsland entwickelt?» Auf welchem Weg machen wir die Arbeitsplätze in Produktion, Handwerk und Gewerbe wieder attraktiver? Wie begegnen wir dem Mangel an Handwerkerinnen und Handwerkern? Diese Fragen werden mich politisch wie beruflich noch eine ganze Weile beschäftigen. 

02.12.2021 :: Tabea Bossard-Jenni