Wo lauert die kleine Wanze, wo?

Wo lauert die kleine Wanze, wo?
Bettwanzen sind zwar nur wenige Millimeter lang – können aber dennoch einen grossen Schaden anrichten. / Bild: Desinfecta
Wie Bettwanzen eine Familie im Emmental beinahe in den Wahnsinn und für eine Woche aus ihrem Haus trieben. Und wie der Spuk zu einem guten Ende kam.

Die vierköpfige Familie G. aus dem Emmental war glücklich, in letzter Minute noch ein freies Appartement in einer Ferienhaussiedlung in Italien gefunden zu haben. Sie kehrte zurück mit schönen Erinnerungen, dem Rauschen des Meeres in Ohren und Muscheln. Mit dabei im Gepäck – das jedenfalls ihre Vermutung – blinde Passagiere, die sie noch arg in die Bredouille bringen sollten.

Drei Wochen nach den Ferien brachten stark juckende Stiche die Mutter um ihren verdienten Schlaf. Ihren Mann kümmerte es noch wenig; er und die Kinder blieben verschont – vorläufig. Immer mehr Stiche und der fast unerträgliche Juckreiz brachten die Mutter schliesslich zum Entschluss, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Wenige Tage danach stand Stefan Bühler von einem schweizweit tätigen Unternehmen zur Schädlingsbekämpfung vor der Tür. Begleitet wurde er von einem beigezogenen Hundeführer und dessen belgischem Schäfer, speziell ausgebildet für das Aufspüren von Bettwanzen. Dieser hätte, so Bühler, rasch Fährte aufgenommen und angeschlagen. Der Fall war klar – Bühler informierte die sichtlich bestürzte Familie. Die betroffenen Räumlichkeiten müssten während vier Tagen auf 55 Grad erwärmt werden, die Möbel, soweit möglich, demontiert und sämtliche Fussleisten und Stromanschluss-Abdeckungen entfernt werden. Zudem kämen sie nicht umhin, so Bühler weiter, sämtliche Wäsche und Kleidungsstücke mit 60 Grad zu waschen oder, wo nicht möglich, in Säcke abzupacken und in den Zimmern aufheizen zu lassen. «Da dürfte dann wohl manches Stück in die Kleidersammlung wandern», entgegnete der Familienvater leicht sarkastisch. 


Eine provisorische Bleibe

An ein Bewohnen des Hauses während der Behandlungsphase war nicht zu denken. «Wir hatten Glück im Unglück», so die Mutter, «und haben in einem nahegelegenen Haus, bei Verwandten, Obdach gefunden. Aber der Stress ging weiter. Der Familienvater machte sich an die Demontage der Möbel und die Mutter begann mit den ersten Waschrunden. «Wir hätten uns bei den Verwandten keine Freunde gemacht, wären wir mit verwanzten Kleidern eingezogen», so die Mutter. Am nächsten Tag fuhr das beauftragte Unternehmen mit seinen Maschinen auf. Weil die vorhandene Stromstärke für deren Betrieb nicht ausreichte, musste aus zwei benachbarten Häusern Strom angezapft werden. «Nur schon die Stromkosten für den Betrieb der Maschinen belaufen sich auf über 300 Franken pro Tag», stellte der Familienvater leicht bedrückt fest, aber gleichwohl dankbar für die uneigennützige Hilfsbereitschaft seiner Nachbarn.

Normalerweise werden zirka 48 Stunden benötigt für die Bekämpfung mit Wärme. Je nach Objektstruktur kann die Dauer allerdings auch variieren, da alle Spalten und Ritzen eine Temperatur von 55 Grad Celsius erreichen müssen. Im Falle der Familie G. liefen sämtliche Maschinen, auch Waschmaschine und Tumbler, während vier Tagen auf Hochtouren. Am fünften Tag wurden die Maschinen abgestellt und die Räume wieder auf Normaltemperatur abgekühlt. Nach der Wärmebehandlung präsentierten sich die Zimmer noch in grosser Unordnung, da die Möbel für die Behandlung verschoben werden mussten. Zusätzlich war alles mit einer Schicht Diatomeenerde belegt, welche als unterstützendes, natürliches Mittel zur Behandlung der Bettwanzen in Schlupfwinkel ausgebracht wurde. «Wir hatten das Gefühl, vom Regen in die Traufe zu geraten», so die Mutter. Aber nachdem das Haus gereinigt und die Möbel wieder zusammengesetzt worden waren, erfolgte der Wiederbezug des Hauses. 


Das grosse Zittern – dann die Entwarnung

Sie hätten, berichtet die Mutter weiter, nach einer Woche einfach wieder in ihr Zuhause zurückkehren wollen; im Wissen, dass erst vier Tage nach der Behandlung geklärt werden kann, ob die Aktion erfolgreich war. So begann für die Familie das grosse Zittern, bis dann Bühler, begleitet von Hundeführer und Hund, zur Nachkontrolle aufkreuzte und ihnen bescheinigte, das Haus sei nun entwanzt. «Ein riesiger Stein fiel uns vom Herzen», so die erleichterte Mutter, «denn eine zweite Evakuierung, das hätten wir kaum gepackt.» Sicher aber würden sie nie mehr für Ferien in besagter Ferienhaussiedlung packen. Zwar gäbe es keinen eindeutigen Hinweis, die kleinen Blutsauger tatsächlich von dort eingeschleppt zu haben – aber sicher sei sicher.

Und klar, die ganze Aktion gehe nicht nur ans Gemüt sondern auch ins Geld, so der Familienvater. Neben den Kosten für Abklärung, Behandlung, Strom und Reinigung müssten einzelne Möbelstücke ersetzt sowie Teile des Zimmertäfers und der Fussleisten repariert werden, führte der Vater aus. Da bedeute der Beitrag von 1000 Franken der Hausratsversicherung einen kleinen Tropfen auf diese kleinen Viecher. 

Und ein für alle Mal klar sei, bekräftigte der Vater abschliessend, es hätten künftig nicht nur Bettwanzen, sondern auch das Kinderlied von der Wanze, die auf der Mauer lauert, absolutes Hausverbot.

So beugen Sie vor

Wanzenbefall, so Stefan Bühler, habe nichts mit Sauberkeit im Haushalt zu tun. Wanzen seien keine Hygieneschädlinge, sondern würden eingeschleppt. Wichtig sei, in Hotels oder Ferienwohnungen Koffer und Wäsche nie aufs Bett zu legen, sondern wenn möglich im Badezimmer zu deponieren. «Denn», so Bühler, das Bett ist ihr Lieblingsaufenthaltsort.» Zurück aus den Ferien, gelte das gleiche – und, wenn immer möglich, alles umgehend mit 60 Grad waschen. «Und», so Bühler weiter, «bei Verdacht auf Wanzenbefall nicht zu lange abwarten.» Auch selber mit einem Giftspray auf Jagd zu gehen sei meist kontraproduktiv; die Tiere verkröchen sich einfach in Ritzen und Rillen.  

Das ist die Bettwanze

Bettwanzen sind darauf spezialisiert, in den Schlafplätzen von warmblütigen Lebewesen – vor allem Menschen – zu leben und sich von deren Blut zu ernähren. Das mit typischen Hauterscheinungen und Symptomen einhergehende Krankheitsbild, das durch den Stich von Bettwanzen hervorgerufen wird, bezeichnet man als Cimikose. 

Die erwachsenen Tiere erreichen Körperlängen zwischen 3,8 und 5,5 Millimeter, im vollgesogenen Zustand bis zu 9 Millimeter. Durch ihren flachen Körperbau gelangen sie besonders gut in enge Zwischenräume, wo sie sich vor Lichteinstrahlungen zurückziehen. Bettwanzen sind Blutsauger und sind nachtaktiv.

02.12.2021 :: Daniel Schweizer (sdl)