Kanton Bern: Eine neue Verordnung hat Auswirkungen auf die Spitex. Unter anderem will der Kanton auf Spenden und Erbschaften zugreifen können. Das sorgt für Unmut.
Auf den 1. Januar 2022 plant der bernische Regierungsrat, eine neue Verordnung über die sozialen Leistungsangebote (SLV) in Kraft zu setzen. Darin geht es unter anderem um die Finanzierung von Pflegeangeboten wie Heimaufenthalte oder eine Betreuung durch die Spitex (siehe Kasten). Während der Vernehmlassung wurde zu einer Vielzahl von Artikeln Kritik geäussert. Besonders Artikel 5 – Anrechnung der Eigenmittel – löste vielerorts Unverständnis aus. So will der Kanton nicht zweckgebundene Spenden und Zuwendungen an die Spitex wie etwa Erbschaften neu anrechnen. Dasselbe gilt für Rücklagen und Mitgliederbeiträge.
Neue Stiftung soll Geld verwalten
Betroffen von den Änderungen ist auch die Spitex Region Emmental. Die Verordnung und der damit verbundene Leistungsvertrag hätten grosse Auswirkungen auf sie als Spitex-Organisation, steht in der Einladung zur Mitgliederversammlung vom 4. November. Erwähnt wird, dass der Kanton auf die gesparten Fonds-Gelder des Vereins sowie auf Spenden und Erbschaften zugreifen könne. Es sei nicht im Sinn von Spendern und Erblassern, mit ihren Zuwendungen an die Spitex den Kanton Bern zu entlasten, schreibt der Vorstand. Vielmehr sollte dieses Geld den Mitarbeitenden der Spitex sowie bedürftigen Klientinnen und Klienten zugute kommen. Um diese Gelder vor dem Zugriff des Kantons zu schützen, beantragt der Vorstand, eine Stiftung zu gründen, «welche zukünftig die Fonds-Gelder verwalten und zweckbestimmt verwenden soll».
Für Personal und Bedürftige
Cornelia Steinmann, Geschäftsleiterin der Spitex Region Emmental, sagt auf Anfrage, dass jährlich Spenden zwischen 20´000 und 30´000 Franken eingehen würden. Dieses Geld werde nicht gespart, sondern laufend eingesetzt. «Wir haben Angehörige befragt, wie ihre Spende verwendet werden soll. Die meisten wollten diese dem Personal und bedürftigen Klientinnen und Klienten zukommen lassen.» So würden Ausflüge organisiert oder es werde eine spezielle Weiterbildung wie zum Beispiel für sicheres Fahren auf Schnee und Eis finanziert, erklärt die Geschäftsleiterin. Nach Rücksprache mit den Sozialdiensten würden auch bedürftige Patienten unterstützt. Künftig sollen diese Spendengelder in die Stiftung fliessen. Zudem soll diese das Vermögen aus der Fusionszeit sowie eine grössere Erbschaft verwalten, insgesamt 1,3 Millionen Franken. «Dieses Geld haben wir als Reserve behalten, um bei Gelegenheit in nachhaltige Infrastrukturprojekte zu investieren», so Steinmann.
Finanzielles Polster
Auch der Spitex Verband Kanton Bern findet es nicht korrekt, Spenden zu verwenden für Leistungen, die gemäss Vertrag mit dem Kanton erbracht und durch diesen sowie die Krankenversicherungen finanziert werden müssen, wie Ursula Zybach, Präsidentin des Verbands, betont. Dieser hat sich in der Vernehmlassung auch dagegen ausgesprochen, dass Rücklagen und Ertragsüberschüsse aus der Zeit vor der neuen Verordnung angerechnet werden. Diese seien schliesslich rechtmässig erwirtschaftet worden. «Die Spitex-Organisationen brauchen ein finanzielles Polster, um schwierige Situationen zu überbrücken», betont Ursula Zybach und nennt als Beispiel die Corona-Pandemie. Da habe es mehr Material gebraucht, der Planungsaufwand etwa wegen Quarantänen sei gestiegen, die Beratungen der Angehörigen und Patienten hätten zugenommen. Diese Mehraufwände habe der Kanton nicht entschädigt. Ebenfalls unantastbar seien Erträge aus Sparten, die ausserhalb des Leistungsvertrages erbracht würden und die der Kanton nicht mitfinanziere. Dabei denkt Zybach an den Mahlzeitendienst oder die Hauswirtschaft für Menschen mit Altersgebrechen.
Sowohl Cornelia Steinmann als auch Ursula Zybach hoffen nun, dass der Regierungsrat die Kritikpunkte berücksichtigen und die Verordnung anpassen wird. Der definitive Entscheid soll im November fallen.