Vo früecher

«Was ist denn mit euch los?», fragt Fridu Berthi und Rösi, die vor dem Altersheim sitzen und sich kaum halten können vor Lachen, «ihr benehmt euch schlimmer als meine Enkelin, die grad im Kichererbsenalter ist!» – «Weisch», lacht Berthi und bekommt kaum Luft, «wir staunen, wie unglaublich gut wir erhalten sind!» Fridus Gesicht ist ein grosses Fragezeichen. Haben die irgendwie die falschen Medis erwischt? Doch nach und nach erholen sich die Frauen und er erfährt den Grund ihres Kicheranfalls.

Berthis Grosskind Nick und die ganze Klasse war begeistert und fasziniert von den Geschichten der Pfahlbauer, die die Kindergärtnerin aus dem bebilderten Buch «vo früecher» erzählte. Da meldete sich Nick und sagte mit stolz geschwellter Brust: «Im Fau», machte eine bedeutungsvolle Pause, damit es auch jeder mitbekam, «im Fau, mis Grosi isch ou vo früecher!»

«Und drum, siehst du Fridu, sind wir fit, und wenn uns jemand sagt, wir seien von gestern, dann ist das ein Kompliment!» Die drei unterhalten sich über die so schnell vergangene Zeit, die unsichere Zukunft, über die man nur weiss, dass definitiv mehr Lebenszeit vorbei ist als noch kommen wird. Jeder hängt seinen Gedanken nach, bis Berthi die leicht bedrückende Stille unterbricht. «Aber wisst ihr was, eigentlich spielt es nicht so eine Rolle, ob wir schon zu Pfahlbauerszeiten lebten oder noch 20 Jahre leben werden. Was vorbei ist, ist vorbei, was kommen wird, ist noch nicht da. Wir haben nur den Augenblick, und den wollen wir geniessen und uns dran freuen. Wir haben grad in der Andacht gehört, dass Gott unser Hirte ist und uns drum nichts fehlen wird, und er verspricht, mit uns durch jedes dunkle Tal zu gehen». – «Ich möchte aber durch kein dunkles Tal mehr», sagt Fridu, «aber wenn einem der Herrgott nicht verlässt, dann wird es gehen, wie es auch bis jetzt gegangen ist. Mein Konfspruch hat mir schon oft Sorgen abgeschwächt: Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.» 


23.09.2021 :: Jasmin Steffen