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Durch den Kakao gezogen

Neulich schnappte ich einen Satz auf, der mich gerade sehr beschäftigt:
«Leben ist das, was ist, und nicht das, was hätte sein können.» Der Anstoss: Im Juli besuchte ich zum ersten Mal seit eineinhalb Jahren meine erwachsenen Zwillingstöchter in Saarbrücken und Offenburg. Ich bin froh, dass ich eine relativ junge Mutter bin. So haben meine Töchter die Chance, mich bei wachem Geiste mit Fehlern zu konfrontieren, die ich vermeintlich in ihrer Kindheit gemacht habe. Meine Kritikfähigkeit ist zwar nicht besonders ausgeprägt, denn eigentlich mache ich ja immer alles richtig – und die Welt ist eine Scheibe. 

Jedenfalls schlucke ich die Kröten, mit denen mich meine Töchter füttern. Da sass ich denn mit der einen Tochter zusammen, als sie recht unvermittelt sagte: «Ich fand es nicht so toll, dass wir uns schon in der Grundschule Frühstück und Kakao selbst machen mussten, weil du so viel gearbeitet hast. Und diese fiesen grünen Latzhosen damals...» Ich schnappte etwas nach Luft. Besonders Mütter können sicherlich nachfühlen, wie mir zumute war. Verunsichert wusste ich erstmal gar nicht, was ich sagen sollte, um mich dann zu rechtfertigen. Tröstlich legte sie mir die Hand auf die Schulter und sagte: «Das hat uns ja sehr selbstständig gemacht.»

Wieder zu Hause, verfolgte mich dieser Vorwurf. Die Kröte liess sich doch nicht schlucken. Und dann begegnete mir eben dieser Satz: «Leben ist das, was ist, und nicht das, was hätte sein können.» Hatte ich nicht selbst Jahrzehnte damit zugebracht mir vorzustellen, was hätte sein können, wenn meine Eltern anders gewesen wären, als sie waren? Vom Zweiten Weltkrieg traumatisiert, drangsalierten sie mich und meine vier Geschwister, dass ich heute nur noch stumm den Kopf schütteln möchte. Dagegen war der fehlende Morgenkakao ein Witz. Aber trotzdem muss ich da versagt haben, sonst hätte ich mir das nicht anhören müssen.

Es ist zwar schade, dass man Ver-
gangenes nicht reparieren kann.
Ebenso sinnlos aber sind Gedanken mit der nervigen Frage: «Was wäre, wenn ...?» Doch darin bin ich selbst eine Meisterin. Wenn ich meinen ersten Mann nicht kennengelernt hätte, dann... Wenn ich damals nicht die Anstellung gekündigt hätte, dann... Alles völliger Mumpitz, der höchstens dazu taugt, sich selbst schlechte Laune an den Hals zu hetzen. Ich habe meine Tochter bei meinem Besuch lecker
bekocht, die andere führte ich mehrfach zum Essen aus, weil sie das liebt.
Carpe diem macht gute Laune. Denn Kakao trinken beide schon lange
nicht mehr.

26.08.2021 :: Christina Burghagen (cbs)