Error compiling Razor Template (contact the administrator for more details)

Alles hat seine Zeit

Letztens wurde ich neu überrascht. Von einem Gedicht. Mittem im Fliesstext tauchte es auf. Mitten in der Bibel. Prediger 3. 

Das Kapitel beginnt mit der Aussage, alles habe seine bestimmte Zeit. Das Gedicht zählt auf: Geburt und Sterben haben ihre Zeit. Einreissen und Aufbauen. Weinen und Lachen. Aufheben und Wegwerfen. Und so weiter. 14 Paare. Immer zwei davon gehören zusammen. Symmetrisch und geordnet. Vielleicht gerade deshalb auch anziehend. 

Der Text nimmt verschiedene Bereiche des Lebens auf. Es geht um den natürlichen Verlauf des Lebens, um Gefühle, Intimität, Besitz, Kommunikation. Es scheint, als wolle der Autor sagen: In jedem deiner Lebensbereiche gibt es verschiedene Phasen. Das ist gut so, denn eben: «Alles hat seine Zeit». 

Im ersten Moment scheint das okay. Pflanzen und Ausreissen hat beides seine Zeit. Genauso wie Klagen und Tanzen. Das ist doch fair. Ausgleichende Gerechtigkeit. Bei einigen Wörtern gerate ich jedoch ins Stocken. Töten hat seine Zeit, steht da. Und Hass. Und Krieg. Wirklich? Das hat alles seine Zeit? Warum sollen wir uns denn abmühen, wenn wir ja doch keinen Einfluss darauf haben? Wenn das Schwere ebenso seine Zeit hat wie das Frohe? Das ist die Frage, die auch der Prediger stellt. Er gibt keine Antwort darauf. Der Mensch könne nicht alles begreifen, was Gott tut, schreibt er (Vers 11).

Seine Reaktion darauf überrascht. Man würde Wut erwarten. Groll vielleicht, oder Unverständnis. Aber nein, im Gegenteil: Deshalb soll der Mensch sich freuen und es sich gut gehen lassen, essen und trinken, steht da (Verse 12+13). Denn alles hat seine Zeit. Die schwierigen Momente. Ja. Aber eben auch die guten, frohen, glücklichen. Deshalb sollen und wollen wir diese bewusst erleben, geniessen und feiern. «Denn auch dies ist eine Gabe Gottes» (Vers 13).

20.05.2021 :: Nathalie Stucki