«Zimmer frei» heisst es derzeit in zahlreichen Alters- und Pflegeinstitutionen. / Bild: Shutterstock
Emmental/Entlebuch: Viele Alters- und Pflegeheime haben derzeit mehr leere Betten als vor der Corona-Pandemie. Einen Imageschaden für die Branche befürchten sie jedoch nicht.
Im Corona-Jahr 2020 hat sich die Berichterstattung über Alterspflegeeinrichtungen in der Deutschschweiz mehr als verdoppelt, wie ein Forschungsprojekt der Fachhochschule Nordwestschweiz und Infolinemed aufzeigt. Vorherrschendes Thema war dabei das Corona-Virus. So verwendeten die Medien diesen Begriff fast 128´000 Mal in Zusammenhang mit Alterspflegeeinrichtungen. Auch «Fälle», «BAG», «Corona-Krise» und «Quarantäne» tauchten häufig auf. Ausserdem waren Krankheit, Tod und Sterben dominantere Themen in der Berichterstattung über Pflegeinstitutionen als in Vorjahren.
Haben die Institutionen einen Imageschaden zu befürchten, der sich auf die Bettenbelegung auswirkt?
Besuchsstopp wirkt nach
«Viele Seniorinnen und Senioren verschieben den Eintritt in eine Pflegeinstitution. Sie warten ab, wie sich die Lage entwickelt», stellt Sevan Nalbandian fest. Er ist Geschäftsführer von Curaviva Bern, dem Verband der Alters- und Pflegeinstitutionen im Kanton Bern. Insbesondere der behördlich angeordnete Besuchsstopp während der ersten Welle habe sich in den Köpfen festgesetzt. Konkrete Zahlen zu den aktuell freien Betten hat er zwar nicht. «Doch ich erhalte regelmässig Rückmeldungen, dass es schwieriger geworden sei, sie wieder zu belegen.» Dies bestätigt auch eine Umfrage in der Region (siehe Kasten).
Wie eine Studie des Forschungs- und Beratungsunternehmens Infras im Auftrag des Bundesamts für Gesundheit aufzeigt, sind 60 Prozent der Pflegeinstitutionen in der Schweiz von einer Reduktion von Neueintritten und einer geringeren Bettenbelegung betroffen. Angaben zur ersten Welle hat Curaviva Schweiz. Von Ende Februar bis Ende Mai 2020 hat gemäss ihrer Erhebung die Bettenbelegung von 93,2 auf 90,1 Prozent abgenommen.
Finanzielle Situation verschlechtert
Eine geringere Auslastung wirkt sich auf die Finanzen der Alters- und Pflegeheime aus. 80 Prozent der Institu-
tionen geben in der Infras-Studie an, dass sich ihre finanzielle Situation durch die Pandemie verschlechtert habe. «Das Finanzierungsmodell funktioniert nur, wenn sehr viele Betten belegt sind», hält Sevan Nalbandian von Curaviva Bern fest. Dauere eine Unterbelegung längere Zeit an, könne das zu Problemen führen. Die Situation werde dadurch verschärft, als durch die Schutzmassnahmen auch ein deutlicher Mehraufwand resultiere (Material, mehr Personal zum Beispiel für Besuchererfassung und zusätzliche Reinigung). Gemäss einer Erhebung von Curaviva Schweiz betrugen die Mehrkosten und Mindereinnahmen ausserhalb der Pflegefinanzierung allein in der ersten Welle schweizweit 160 Millionen Franken. Der Branchenverband erwartet von den Kantonen, dass diese die ungedeckten Kosten mittragen.
Trotz des schwierigen Umfeldes hofft der Geschäftsführer von Curaviva Bern, dass sich die Situation für die Pflegeinstitutionen rasch bessert. Diese sehen es positiv: Von einem Imageschaden gehen in der Infras-Studie weniger als 20 Prozent der Befragten aus. Gestützt wird diese Aussage durch die Bewertung der Angehörigen: 85 Prozent sind eher oder sehr zufrieden, wie die Institutionen mit der Pandemie umgegangen sind.