«Wenn ich einkaufen gehe, werde ich von den Leuten nun öfter erkannt»

«Wenn ich einkaufen gehe, werde ich von den Leuten nun öfter erkannt»
Dominic Stricker bereitet sich aktuell in Biel auf die Sandsaison vor. / Bild: Stephan Schori (ssr)
Tennis: Vor einem Monat gewann Dominic Stricker (18) sein erstes Profiturnier. Im Interview spricht der Grosshöchstetter über Glückwünsche von Roger Federer und seine Zukunftspläne.

Ende März haben Sie überraschend das Challenger-Turnier in Lugano -gewonnen. Was ist seither passiert?

Zuerst habe ich mit meiner Familie eine Woche Ferien in Zermatt gemacht, um ein wenig vom Tennis wegzukommen und in den Bergen Energie zu tanken. Danach habe ich das Training wieder aufgenommen; ich mache in Biel einen Aufbau und bereite mich auf die Sandplatzsaison vor.


Sie haben beim Triumph in Lugano fünf Spieler aus den Top 400 der Weltrangliste geschlagen, im Halb-final sogar die Nummer 109 der Welt. Wie schauen Sie mit etwas Abstand auf diesen Erfolg zurück?

Ich und mein Trainer sagten uns, es wäre cool, ein oder zwei Runden zu überstehen. Und dann ging es los. Erste Runde gewonnen; zweite Runde nach abgewehrten Matchbällen auch gewonnen. Da sagten wir uns, wieso nicht den Flow nutzen und versuchen, das Turnier zu gewinnen. Ab da konnte ich in jedem Spiel mein bestes Tennis zeigen. Dass es dann direkt zum Titel reichte, war natürlich cool.


Nach dem French-Open-Sieg bei den Junioren im letzten Herbst gab es über Ihren Coach auch Glückwünsche von Roger Federer. Hat er sich erneut gemeldet?

Ja, er und Stan Wawrinka haben mir diesmal sogar persönlich gratuliert. Es ist sehr schön, dass sie verfolgen, was die nächste Generation macht. Das gibt mir zusätzliche Energie, um hart weiterzuarbeiten.


Sie werden bereits oft mit Federer und Wawrinka verglichen. Setzt Sie das unter Druck?

Ich empfinde es als positiven Druck. Was sie erreicht haben, ist unglaublich. Deshalb motiviert es mich, wenn man mich auf eine Stufe stellt mit ihnen, als sie im gleichen Alter waren.


Anfang Jahr war Ihr Ziel, in dieser Saison in die Top 500 der Weltrangliste vorzurücken. Dank dem Sieg
in Lugano sind Sie nun bereits die Nummer 424. Haben Sie sich schon ein neues Ziel gesteckt?

Bis jetzt noch nicht. Wir nehmen einfach Turnier für Turnier und am Ende schauen wir dann, wie weit nach vorne es noch geht.


Werden Sie mit der gestiegenen Popularität nun häufiger um Autogramme oder Selfies gebeten?

Wenn ich daheim in Grosshöchstetten einkaufen gehe, werde ich von den Leuten schon öfter erkannt. Das ist ein cooles Gefühl. Es ist aber nicht so, dass ich dauernd angesprochen werde, sobald ich aus dem Haus gehe.


Für den Titel in Lugano haben Sie rund 6000 Dollar erhalten. Ein Jahr als Tennisprofi kostet aber rund 150´000 Franken. Geht das auf? Wer kümmert sich bei Ihnen um die Finanzen?

Ich habe einen Manager und halte mich diesbezüglich eher zurück. Ich habe bereits diverse Partner, bin aber immer noch auf der Suche nach weiteren Sponsoren. Zum Glück unterstützt mich Swiss Tennis weiterhin sehr stark, so geht es Ende Jahr in etwa auf.


Als Profisportler muss man sehr diszipliniert leben. Fällt es Ihnen schwer, für die Karriere auf viele Dinge verzichten zu müssen?

Es geht. Für mich steht der Sport immer im Fokus, da überlege ich mir schon gut, was Sinn macht und was nicht. Das Verlangen, in den Ausgang zu gehen, hatte ich beispielsweise nie gross. Auch nicht vor Corona.


Bleibt überhaupt noch Zeit für Hobbys?

Ich spiele seit rund zwei Jahren Golf. Ich mag es, an freien Wochenenden mal vier, fünf Stunden draussen zu sein und so abschalten zu können.


Wie sehen die nächsten Pläne aus? Wie realistisch ist es, Sie schon bald auf der ATP-Tour zu sehen?

Wir haben einige Turniere angefragt und bemühen uns um Einladungen und Wild Cards. Eine Einladung habe ich schon erhalten: im Mai darf ich in Genf erstmals an einem ATP-Turnier spielen.


Geben Sie sich eine bestimmte Zeit, bis wann Sie den Durchbruch spätestens schaffen wollen?

Ich möchte in drei bis fünf Jahren an Qualifikationsturnieren für Grand Slams teilnehmen können. Aber ich setze mich nicht unter Druck, dass ich bis dann und dann ein gewisses Ranking unbedingt erreichen muss. Wenn es klappt, dann klappts, wenn nicht, muss ich halt irgendetwas anderes suchen.


Zum Beispiel?

Im Moment konzentriere ich mich voll aufs Tennis und überlege nicht, was wäre, wenn. Ich mache seit zweieinhalb Jahren das Sport-KV in Biel, anderthalb Jahre habe ich noch vor mir. Das ist aber mehr eine Notlösung, falls es mit dem Tennis gar nicht klappen sollte.


Sie wurden zum Best Talent Sport 2020 gewählt und hatten einen grossen Live-Auftritt bei der Sportgala von SRF. Fühlen Sie sich bei solchen Veranstaltungen im Scheinwerferlicht wohl?

Ich bin sicher lieber in Sportkleidern auf dem Tennisplatz als im Anzug auf der Bühne. Aber es war trotzdem ein Hammer-Abend, der mir sehr viel Spass gemacht hat. Zumal es das erste Mal war, so etwas zu erleben. Die Auszeichnung ist für mich auch ein Ansporn.


Wie oft sind Sie noch zuhause in Grosshöchstetten?

Ich habe vor rund einem Monat die Fahrprüfung bestanden und bin deshalb nun wieder mehr zuhause als vorher. Es ist der Ort, an dem ich mich ziemlich gut erholen kann, schön auf dem Land. Ich geniesse es auch sehr, Zeit mit der Familie zu verbringen.


Abschlussfrage: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten für Ihre Karriere, welcher wäre das?

Der ganz grosse Traum ist sicher, irgendwann einmal ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, am liebsten die Australian Open.

29.04.2021 :: Christoph Schär (css)