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Wenn 20’000 Dinge umziehen

Wenn 20’000 Dinge umziehen
m Dach- geschoss des Chüechlihus lagern zig Gegenstände. Weil die klimatischen Bedingungen alles andere als gut sind, wird die Sammlung sortiert und künftig zentral gelagert. / Bild: Bruno Zürcher (zue)
Langnau: Das Regionalmuseum Chüechlihus Langnau führt seine rund 20’000 Objekte aus verschiedenen Standorten in ein Depot zusammen. Simon Schweizer leitet das Projekt. Die «Wochen-Zeitung» hat ihn während eines Tages begleitet.

Die gesamte Sammlung des Chüechlihus, welche heute an sechs Standorten untergebracht ist, wird in einem Depot im ehemaligen Militärspital vereint. Bis es soweit ist, haben Simon Schweizer, Leiter des Projekts, und sein Team viel zu tun. Stephan Studer, ein Zivildienstleistender, beginnt heute seinen Einsatz im Museum. Etwas verloren sitzt er in der kalten Dachkammer des Chüechlihus vor dem Laptop und hört zu, was ihm Simon Schweizer erklärt: «Unsere Aufgabe ist es, die Depots in den Aussenstationen und im Haus aufzulösen und in ein Gesamtdepot überzuführen. Die jetzigen Depots sind zum Teil für Vögel, Marder und Katzen zugänglich. Ein Problem sind auch die Temperaturschwankungen. Hier im Dachstock beispielsweise wird es im Sommer über 30 Grad heiss, im Winter sinkt das Thermometer unter 5 Grad.» Simon Schweizer zeigt auf einen Karteikasten neben dem Laptop: «Eines deiner Arbeitsfelder ist die Kontrolle der alten Karteikarten. Die meisten sind bereits digitalisiert worden. Deine Aufgabe ist es nun, die Datenbank mit der Karteikarte zu vergleichen, und falls nötig, die Datenbank mit zusätzlichen Informationen zu ergänzen.» 


Arbeit bis zirka Ende 2022 

Was waren die ersten Schritte des Projekts? «Am Anfang führte mich Madeleine Ryser zweimal durch die Depots», erklärt Simon Schweizer. «Bei der Berechnung des Arbeitsaufwands stützte ich mich auf Erfahrungswerte aus Burgdorf. Dort zügelten wir die ganze Sammlung des Schlosses, das heisst 60´000 Objekte. Die Sammlung hier in Langnau umfasst mindestens 20´000 Objekte, also etwa einen Drittel von Burgdorf. Auf dieser Grundlage rechnete ich aus, dass wir bis Ende 2022 Zeit brauchen.» 

Welchen Eindruck haben Sie vom Zustand der Sammlung? «Einen guten», antwortet der Historiker, «zirka 95 Prozent ist bereits digitalisiert worden. Dass die frühere Museumsleiterin beim Projekt mithilft, ist sehr wertvoll. Madeleine Ryser weiss, wo was ist und hat ein grosses Wissen.»

Welcher war bis jetzt der grösste Schadensfall, dem er begegnet ist? Schweizer überlegt einen Moment. «Bei einer Keramikschüssel blätterte die Glasur ab», antwortet er und fügt hinzu, «im neuen Depot wird so etwas nicht mehr passieren.»  

Was will man mit 15 Fleischwölfen? 

In Burgdorf hat man zum Teil Objekte aus der Sammlung entfernt. «Deakzession» heisst der Vorgang im Fachjargon. Wird das in Langnau auch passieren? Schweizer holt etwas aus: «Die Sammlungsbereinigung ist ein notwendiger Teil der Museumsarbeit. In den 70er- und 80er-Jahren sind immer mehr Objekte in die Museen gelangt, weil die Jungen kein Interesse mehr dafür hatten. Die Mechanisierung der Landwirtschaft löste zusätzlich eine Flut alter Gerätschaften aus. Dadurch wurden die Depots immer voller, die Übersicht ging verloren, und die Verantwortlichen waren zunehmend überfordert. «Was macht man mit zwölf Spinnrädern, 15 Fleischwölfen, 600 bis 700 Gewehren?», fragt Schweizer rhetorisch. «Es ist nicht sinnvoll, alles zu behalten.» In Langnau habe man beispielsweise eine Menge überzähliger Trachtenhemden, Bett- und Tischwäsche, für die man eine Lösung suchen müsse. «Für die Entsammlung braucht es jedoch klare Richtlinien – eine Strategie, die in den kommenden Monaten im Team, gemeinsam mit der neuen Museumsleitung, erarbeitet wird.» 


Jede Tabakpfeife wird fotografiert 

Am Nachmittag steht der Zivildienstleistende Stephan Studer im improvisierten Fotolabor im Estrich und fotografiert einen kleinen Gegenstand aus Holz. Bei näherem Hinsehen erkennen wir den Kopf einer Tabakpfeife in Form eines geschnitzten Indianerkopfs. In einer grossen Schachtel sind zwanzig weitere Tabakpfeifen verpackt, alle in Einzelteile zerlegt und in Seidenpapier gewickelt. «Die Arbeit wird mir nicht ausgehen», stellt der Zivi trocken fest. «Ich muss die Pfeifen zuerst richtig zusammensetzen, dann mit Hilfe der Inventarnummer den entsprechenden Datensatz suchen und kontrollieren, ob die Eingaben stimmen. Dann muss ich die Pfeife putzen, fotografieren und in säurefreies Seidenpapier wickeln. Am Schluss trage ich die Nummer der Schachtel in die Datenbank ein, in der die Pfeifen ins neue Depot transportiert werden.» 

Inzwischen hat sich Simon Schweizer zu ihm gesellt und weist auf die Schädlingsbehandlung hin, welche nach der Reinigung erfolgt. Er zeigt auf eine Kartonkiste mit der Aufschrift «organisch thermo»: «Um Schädlinge wie Holzwürmer abzutöten, stellen wir Teile des Sammelguts in eine Art Wärmekammer.» Andere Objekte, wie zum Beispiel Textilien, würden mittels Sauerstoffentzug (Stickstoffbehandlung) behandelt. Erst nach diesem Spezialverfahren würden die Stücke deponiert.  

Zum Schluss zählt der Museumsmann die Vorteile des neuen Depots auf: «Im ehemaligen Militärspital stehen uns zwei grosse Raumkomplexe zur Verfügung. Wir werden dort die einzelnen Objektgruppen fachgerecht lagern können. Die Temperatur wird ausgeglichen, der Lichtschutz gewährleistet und das Sammelgut vor Schädlingen geschützt sein. Zudem werden die Objekte besser zugänglich sein. Die neue Museumsleitung wird nicht mehr stundenlang einen Gegenstand suchen müssen, sondern wird ihn innert fünf Minuten finden.»

29.04.2021 :: Bettina Haldemann-Bürgi (bhl)