Die Chance der Krise blieb ungenutzt

Die Chance der Krise blieb ungenutzt
Der 19-jährige Juniorengoalie Damian Stettler feierte gegen Leader Zug mit 5:3 seinen ersten Sieg in der NLA. / Bild: Peter Eggimann (ped)
SCL Tigers: Die durch Corona stark geprägte Saison ist für die SCL Tigers zu Ende. Zu beschönigen gibt es nichts – es war sportlich und wirtschaftlich eine Saison zum Vergessen.

Die gute Nachricht vorweg: Weil es nach dieser Meisterschaft keinen Absteiger gibt, spielen die SCL Tigers auch nächste Saison in der National League A. Die schlechte Nachricht: Sie haben die riesengrosse Chance, die ihnen durch die ganz besonderen Umstände der Corona-Krise geboten wurde, nicht genutzt. Ein Vergleich der ersten zehn Spiele mit den letzten zehn Runden zeigt, dass die Mannschaft zu Beginn der Meisterschaft die gleichen Schwächen aufwies, wie am Schluss der Saison. Es fehlte punkto System, Taktik und Organisation eine klare Linie, man machte es den Gegnern viel zu häufig viel zu leicht, und zu all dem schwächte sich die Mannschaft durch eine Unzahl von unnötigen Strafen zusätzlich. Von einem kompakten Team auch nur über wenige Runden hinweg konnte nie die Rede sein. Deshalb waren die beiden Dreipunktesiege gegen den SCB und die ZSC Lions zum Jahreswechsel die längste «Erfolgsserie» der ganzen Qualifikation. 


Kampfgeist allein genügt nicht

Keine Regel ohne Ausnahme. Bei den Bullies und den blockierten Schüssen vermochten die SCL Tigers konstant mit den stärksten Gegnern mitzuhalten. Und auch die eingesetzten Torhüter, vorab die Nummer 1 Ivars Punnenovs, gehörten zu den Zuverlässigsten der Liga und gaben dem Team in den meisten Spielen eine Chance zum einen oder anderen Punktgewinn. Auch was Einsatz, Kampf und Wille betrifft, kann man der Mannschaft, abgesehen von vereinzelten Spielen, keinen Vorwurf machen. Mit Einsatz, Kampf und Wille allein gewann man jedoch zu wenig Punkte, und so wurde selbst das Minimalziel der Vorplayoffs deutlich verpasst. Einsatz, Kampf und Wille müssen mit System, Taktik, Disziplin und anderem mehr gepaart werden, und davon war man in den sechs Monaten seit Meisterschaftsbeginn am 1. Oktober weit entfernt. Selbstverständlich spielte die neue Rekordzahl von 328 Ausfällen und die damit verbundenen Umstellungen eine Rolle. Und auch die Tatsache, dass in 37 von 50 Spielen nur zwei, ein oder gar kein Ausländer eingesetzt werden konnten. Zudem war der Qualitätsverlust schon nur allein in den letzten vier Jahren viel zu gross. Führungsspieler wie Pesonen, DiDomenico, Gagnon, Elo, Albrecht, Koistinen, Lindemann und Ciaccio konnten aus wirtschaftlichen Gründen nie vollwertig ersetzt werden. 


Ehlers striktes Regime fehlte

Eine Chance haben die SCL Tigers genutzt. Sie gaben, wie kein anderer NLA-Klub, so vielen jungen Spielern die Chance, in der höchsten Stärkeklasse mehr oder weniger regelmässig zu spielen, selbst in Über- und Unterzahl. Die einen haben ihren bisherigen Höchstwert an Eiszeit genutzt, andere aber nicht. Und man darf sich die Frage stellen, ob die vielen jungen Spieler auch in einer «normalen» Saison ohne das grosse Verletzungspech und bei vier Ausländern so häufig zum Einsatz gekommen wären. Wohl eher nicht. Im Vergleich zu den vier Saisons unter dem strikten Regime von Heinz Ehlers war unschwer festzustellen, dass sich das Niveau auch von routinierten Spielern unter der etwas lockereren Führung von Rikard Franzén verschlechterte und die Fehlerquote damit in einen zu hohen Bereich anstieg. 

Nach Ehlers und Franzén werden die Langnauer die nächste Saison mit dem dritten Headcoach in gleich vielen Jahren in Angriff nehmen. Man kann auch davon ausgehen, dass es einen Wechsel vom skandinavischen zum kanadischen Führungsstil geben wird. Der neue Cheftrainer Jason O´Leary steht vor der bisher grössten Herausforderung seiner Karriere. Er war noch nie Headcoach in der Na-
tional League A. In der schwächeren deutschen Spitzenliga, der DEL, hatte er mit Iserlohn nicht den gewünschten Erfolg. Und nun soll der Kanadier mit einem eher schwächeren Langnauer Kader als letzte Saison, dafür mit vier neuen Ausländern, aus einem Verlierer- ein Siegerteam formen.

08.04.2021 :: Werner Haller (whz)