«Z Visite» im Stall

«Z Visite» im Stall
Fritz und Barbara Wüthrich sowie ihre Milchkühe freuen sich über Visite im Stall. / Bild: Veruschka Jonutis (vjo)
Schüpbach: Beim Projekt Stallvisite öffnen Bauernfamilien ihre Stalltüren und lassen die Gäste an den Arbeiten teilhaben. Nun werden weitere Landwirtschaftsbetriebe gesucht.

Die Kühe heben kurz die Köpfe, als Barbara und Fritz Wüthrich den grossen Laufstall betreten. «Unsere Tiere sind Besuche gewöhnt und lassen sich nicht so leicht beunruhigen», erklären sie. Gemeinsam bewirtschaften sie den 20 Hektar grossen Hof Bembrunnen in Schüpbach. Das Ehepaar macht mit bei dem Projekt Stallvisite (siehe Kasten); ihre Ställe sind jederzeit für Inte-ressierte geöffnet. 

Nebst den 40 Milchkühen und durchschnittlich zehn Kälbern sowie Hühner mit einem Hahn leben einige weitere Tiere auf dem Hof. Für die kleinen Gäste halten Fritz und Barbara Wüthrich Ziegen, Kaninchen und als spezielle Attraktion zwei Hängebauchschweinchen – Elvira und Otto. «Obwohl unsere Stallungen jederzeit zugänglich sind, rufen viele Besucherinnen und Besucher vorher an, ob sie vorbeikommen können. Die meisten unserer Gäste sind Familien mit Kindern», berichtet Barbara Wüthrich. Die Kleinen seien vor allem begeistert, die Tiere zu streicheln und zu füttern. Die Eltern würden sich oftmals dafür interessieren, wie die Kühe gemolken werden. «Einige versuchen sogar, ob es gelingt, dem Kuheuter einige Tropfen Milch abzugewinnen. Uns freut es, wenn die Gäste die ersten Hemmungen überwinden und mitanpacken wollen.» Es komme ab und zu vor, dass jemand mit dem vollen Milchtank bis zur Käserei mitfahre, um zu erleben, was nun mit der Milch geschieht. «Das schafft eine Verbindung zum einheimischen Produkt und der Konsument kann hautnah miterleben, wie viel Arbeit zum Beispiel in einem Stück Emmentaler Käse steckt», ist das Ehepaar überzeugt.

Die Landwirtschaft näherbringen

Die Arbeit auf dem Betrieb erlaubt es Barbara und Fritz Wüthrich eher selten, sich spontan mit Freunden zu treffen. Umso mehr freuen sie sich über Gäste, die sie zur «Stallvisite» besuchen. Natürlich bedeute dies einen Mehraufwand und sie könnten nicht gleich effizient arbeiten, wenn Leute da seien, halten die Wüthrichs fest. «Es gibt auch Arbeiten, die wir aus Sicherheitsgründen ganz zurückstellen, wenn zum Beispiel kleine Kinder im Stall sind. Aber für uns machen all die positiven Begegnungen und guten Gespräche mit den Gästen dies wieder wett.» Es sei ihnen eine Herzensangelegenheit, ihren Teil beizutragen, die Landwirtschaft den Menschen näherzubringen und Fragen zu beantworten. Eine oft gestellte Frage sei, ob man mit gutem Gewissen ein Stück Rindfleisch essen dürfe oder ob Pouletfleisch eine bessere Alternative sei, nennt Barbara Wüthrich ein Beispiel. «Ich finde diese Frage berechtigt, viele Konsumentinnen und Konsumenten sind verunsichert. Wir erklären jeweils, dass leider auch oft das in der Schweiz gehaltene Geflügel mit ausländischem Soja-Futter ernährt werde, dass dies also nicht unbedingt eine sinnvollere Alternative sei.» Wenn gute Aufklärungsarbeit geleistet werde, seien die Leute aber bereit, für ein Stück Rindfleisch aus einheimischer Produktion etwas mehr zu bezahlen.

Prägende Erlebnisse

Das Projekt Stallvisite passt gut in das Konzept des offenen Hofes der Familie Wüthrich. Unter dem Namen Chinderhof Bembrunnen organisiert sie Jahreskurse für Kinder ab drei Jahren. «Die Kleinen erleben, was ein Bauernjahr beinhaltet. Dies geschieht spielerisch und sie dürfen richtig mitanpacken», erklärt Barbara Wüthrich. Die Idee dahinter sei, dass die Kinder lernen, woher unsere Nahrung stammt und wie sie produziert wird. Durch diese Erlebnisse würde das Verständnis für die Natur und die Tiere gestärkt. «Mit diesem Hintergrundwissen können sie als Erwachsene zum Beispiel beim Einkaufen verantwortungsvolle Entscheidungen treffen. Wenn wir dazu einen Beitrag leisten können, macht uns das glücklich.»

Zeigen, wie die Tiere auf dem Bauernhof leben

Das Projekt Stallvisite wurde vor 17 Jahren vom Schweizerischen Bauernverband (SBV) ins Leben gerufen. Mittlerweile sind es schweizweit über 340 Betriebe, die mitmachen und auf dem Portal www.stallvisite.ch registriert sind. «Ziel der Idee ist es, Familien mit Kindern zu zeigen, wie zum Beispiel die Tiere auf dem Bauernhof leben, was sie fressen und wie sie gehalten werden. Die Gäste können vor Ort miterleben, wie unsere Lebensmittel produziert werden und können den Betriebsleitern Fragen dazu stellen», erklärt Maria Känel, Projektleiterin Stallvisite, das Konzept. 

Mit oder ohne Voranmeldung

Nun sollen für das Projekt weitere interessierte Landwirtinnen und Landwirte gewonnen werden. Die «Stallvisite» wurde in der Zentralschweiz aufgebaut und sukzessive auch auf andere Regionen übertragen. «Da wir bisher den Fokus auf dem Mittelland hatten, gibt es zum Beispiel im Emmental erst wenige Betriebe. Das soll sich nun ändern. Das Ziel ist, dass die ‹Stallvisite› in allen Regionen vertreten ist, damit Interessierte auch an ihrem Wohnort einen Betrieb finden, der die Stalltüren für sie öffnet», zeigt Maria Känel auf. 

Die «Stallvisite» eigne sich für kommunikative Betriebsleiterinnen und -leiter, die Freude daran haben, Menschen zu zeigen, wie beispielsweise eine Kuh gemolken wird und was danach mit der Milch geschieht. Die Hofbesitzer könnten jeweils selber entscheiden, ob sie Gäste nur auf Voranmeldung empfangen oder ob sie mit Öffnungszeiten arbeiten möchten. «Die Landwirte müssen selber entscheiden, was für sie in ihrem Alltag umsetzbar ist», hält Maria
Känel fest. Weiter müssten die Bäuerinnen und Bauern bereit sein, unentgeltlich Zeit zu investieren. Info-Tafeln und Unterlagen zum Abgeben werden zur Verfügung gestellt. «Mit ihrem Engagement können die Betriebe dazu beitragen, das Verständnis für die Landwirtschaft zu fördern und das Vertrauen der Konsumenten in die einheimischen Produkte zu fördern», ist Maria Känel überzeugt.

18.03.2021 :: Veruschka Jonutis (vjo)