Die Lehrerschaft muss nachsitzen

Die Lehrerschaft muss nachsitzen
Bild: Jürg Kühni (JKB)
Langnau: Die Lehrerschaft erhält noch einmal Zeit, um über die Bücher zu gehen. Das Parlament, das über das künftige Schul­modell entscheiden wird, will eine klarere Ausgangslage.

«Wenn wir mit den vorliegenden Unterlagen entscheiden müssen, wird es schwierig», meinte der SVP-Parlamentarier Roland Zaugg in der über dreistündigen Sonderdebatte zur möglichen Einführung eines durchlässigen Schulmodells und eines Oberstufenzentrums in der Gemeinde Langnau. Auch Christian Oswald von der SP hielt klipp und klar fest: «So können wir nicht entscheiden!» Obwohl die Mitglieder des Gemeindeparlaments im Hinblick auf die Sitzung vom Montagabend mit fast 100 Seiten versorgt worden waren, war vor allem eines klar: Nichts ist klar.

Fehlende Kompromissbereitschaft? 

Kern des Problems ist ein Disput innerhalb der Lehrerschaft. Während sich laut Gesamtschulleiter Markus Brandenberger ein Grossteil der Reallehrkräfte wie auch die Schulleitung für das Modell 4 (siehe Kasten) ausspricht, lehnt das Sek-Kollegium dieses Schulmodell geschlossen ab. Vor den Mitgliedern des Parlament sprachen Gegner wie Befürworter: «Das Modell 4 sieht auf den ersten Blick romantisch aus», hielt die Seklehrerin Sarah Ruesch fest. «Es droht aber die Gefahr, ganz starke und ganz schwache Schülerinnen und Schüler zu verlieren. Das Modell 3b hingegen kostet weniger und bringt mehr.»

«Das Modell 3b ist kein guter Kompromiss», bekräftigte dagegen der Reallehrer Björn Ernst. «Die Einteilung Sek/Real führt zu Fehlern und schmälert die Bildungsgerechtigkeit, und diese soll im Zentrum stehen. Das Modell 4 lässt zudem viel Gestaltungsfreiraum offen.» Dass die Stimmung zwischen den Kollegien zuweilen gehässig ist, zeigt eine Episode: Dem Reallehrer Björn Ernst wurde vorgeworfen, er sei nur für das Modell 4, weil er auch mal gute Schüler unterrichten wolle: «Ich habe nur tolle Schüler», habe er geantwortet. 

«Wichtiger ist der Inhalt»

Zu Wort kam auch Christiane Ammann, Bereichsleiterin Berufspraktische Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule (PH) Bern: «Die Lehrerinnen und Lehrer werden so ausgebildet, dass sie das Modell 4 unterrichten können.» Auch entkräftete sie den Vorwurf, das stärkere Schüler in niveaugemischten Klassen gebremst würden. «Unabhängig vom Schulmodell ist es wichtig, den Kindern reichhaltige und vielseitige Aufgaben zu stellen.» Und sie fügte an, dass für die Einführung eines neuen Schulmodells viel Zeit eingeplant werden müsse. 

Abklärungen seit 2015

Eine Arbeitsgruppe hat 2015 die Einführung eines durchlässigen Schulmodells geprüft. Der Gemeinderat hat dann 2017 den Startschuss für die weiteren Schritte gegeben: In Workshops, Sitzungen und Schulbesuchen haben sich die Arbeitsgruppe und das Projektteam mit der Thematik auseinandergesetzt. Am Ende wird es das Gemeindeparlament sein, das den strategischen Entscheid über die Ausgestaltung des Schulmodells wird fällen müssen. Vorgesehen war dies im Juni 2021. «Wenn die Situation auch dann noch zerfahren ist, droht eine Rückweisung des Geschäfts», stellte der Parlamentarier Markus Stegmann (SVP) in Aussicht.

Diese Schulmodelle stehen zur Auswahl

Heute werden die Kinder der Oberstufe in der Gemeinde Langnau nach dem Modell 1 unterrichtet: Nach der 6. Klasse werden die Schülerinnen und Schüler nach deren Niveau eingeteilt und in den letzten drei Schuljahren in reinen Real- oder Sekundarklassen unterrichtet. Hinzu kommt, dass die Schulhäuser auch örtlich getrennt sind. Dieses Modell wird im Kanton Bern noch von rund acht Prozent der Schulen praktiziert.

Die Klassiker: 3a und 3b 

Bereits in den Neunzigerjahren haben viele bernischen Gemeinden die Modelle 3a und 3b eingeführt; heute die mit Abstand häufigste Unterrichtsorganisation im Kanton Bern. Bei 3a werden getrennte Real- und Sekundarklassen geführt, wobei ausser in den Niveaufächern Deutsch, Französisch und Mathematik Zusammenarbeitsformen möglich sind. Das Modell 3b geht einen Schritt weiter: Real- und Sekundarschüler gehören derselben Klassen an und werden grundsätzlich gemeinsam unterrichtet. In den drei Niveaufächern werde die Jugendlichen aber in separate Klassen eingeteilt, was bezüglich der Organisation und des Stundenplans aufwändig ist. 

Das Anspruchsvolle: 4

Organisatorisch einfacher, aber für die Lehrerschaft anspruchsvoller ist das Modell 4: Die Klassen bestehen aus Real- und Sekschülern, wobei auch Deutsch, Französisch und Mathematik durch die gleiche Lehrperson auf zwei Nivaus unterrichtet werden. Möglich sind hier weiter auch Mehrjahrgangsklassen. Dieses Modell wird derzeit immer mehr angewendet. 

Diskutiert wurde in Langnau auch eine Eigenkreation, das Modell 5. Es handelt sich um eine Weiterentwicklung des Modells 4: In der 7. und 8. Klasse werden jeweils Real-und Sekundarschüler von zwei Jahrgängen unterrichtet. Das letzte Schuljahr wird dann in Jahrgangsklassen absolviert. Auch hier werden alle Jugendlichen von einer Lehrperson unterrichtet.  

04.03.2021 :: Bruno Zürcher (zue)