Rohstoffe und Veredlung – echt ­Entlebuch

Rohstoffe und Veredlung – echt ­Entlebuch
Handgemachte Bergheumilch-Butter ist eines der rund 500 «Echt- Entlebuch»-Produkte. / Bild: Rebekka Schüpbach (srz)
Schüpfheim: Beinahe 500 Produkte werden unter dem Label «Echt Entlebuch» vermarktet. Im «Grasland» Entlebuch ist die Milch dabei zentral.

17.00 Uhr. Vor dem Melkstand warten die Kühe. Zwei Mal pro Tag melkt der Landwirt Franz Zihlmann seine 28 Milchkühe der Rasse Brown Suisse. Abends bekommt er dabei oft Unterstützung von der zehnjährigen Sarina. Sie ist die Tochter eines Cousins von Zihlmann und will später einmal Landwirtin werden. «Sie kennt alle Kühe mit Namen», sagt der 48-jährige nicht ohne Stolz. Schon lässt er die ersten fünf Kühe in den Melkstand treten. Zuerst melkt Franz Zihlmann ein wenig Milch aus jeder Zitze in einen Becher, um den Milchkanal zu reinigen und mögliche Veränderungen der Milch frühzeitig zu erkennen. Anschliessend putzt Sarina routiniert die Zitzen der ersten Kuh mit einem feuchten Eutertuch. Dieses «anrüsten» ist auch wichtig, um den Milchfluss anzuregen. Erst dann setzt Sarina das erste Aggregat ans Euter und die Maschine beginnt mit dem eigentlichen Melkvorgang. Die Milch fliesst direkt in einen gekühlten Milchtank. Bevor die Kuh den Melkstand wieder verlässt, wird jede Zitze noch in eine Desinfektionslösung getaucht. «Hygiene ist sehr wichtig, wenn man für eine Käserei Milch produziert», erklärt Franz Zihlmann. Deshalb, und weil es die Hände schützt,
arbeitet der Landwirt mit Einweg-Handschuhen. Nebst der Hygiene ist das Futter der Kühe ein wichtiger Faktor. «Wir produzieren die Milch nach den Richtlinien von IP Suisse Wiesenmilch», erklärt er. Seine Kühe fressen hauptsächlich Gras, Heu und wenig Kraftfutter, aber kein Soja. Damit die Tiere gesund bleiben, sei eine gute Beobachtung wichtig, sagt Zihlmann. Er setzt dabei hauptsächlich auf seine homöopathische Stallapotheke. Offenbar mit Erfolg, denn drei seiner Kühe haben bereits eine Lebensleistung von über 100´000 Kilogramm Milch erreicht, die älteste von ihnen ist stattliche 15 Jahre alt.

Sbrinz und regionale Spezialitäten

Etwa 500 bis 600 Liter Milch werden bei den Zihlmanns jeden Morgen per Lastwagen abgeholt und in die nahe Entlebucher Spezialitäten Käserei AG in Schüpfheim transportiert. Insgesamt werden hier jährlich rund drei Millionen Liter Milch von 27 Milchlieferanten angeliefert. Über die Hälfte der Milch verarbeiten die Käser zu Sbrinz. «Mit 150 Tonnen Sbrinz pro Jahr produzieren wir ungefähr zehn Prozent der gesamten Menge, die in der Schweiz hergestellt wird», sagt der Verwaltungsratspräsident der Entlebucher Spezialitäten Käserei AG, Willi Schnider. Er weist auf das grosse Kessi: «Hier wird gerade Sbrinz hergestellt», sagt er. Ein paar Stunden zuvor wurde das Chessi mit der angelieferten Milch gefüllt, diese erwärmt und mit Lab und «Kultur» (Bakterien) versetzt. Schon nach 40 Minuten war sie fest, ähnlich wie ein stichfestes Joghurt. Nun konnten die Käser mit Hilfe der Harfe die Masse in Stücke schneiden und das Rührwerk starten. Durch langes Rühren trennte sich der Bruch von der Molke und kleine feste Körner schwammen bald im Kessi. Nun ist die Zeit gekommen, den Bruch mitsamt der Molke abzupumpen und durch ein Rohrsystem in die Formen zu verteilen. Während der Bruch, der ähnlich wie Hüttenkäse aussieht, in den Formen bleibt, läuft die Molke ab. 

Auch die Molke wird verwendet

«Sie wird entrahmt und der daraus gewonnene Sirtenrahm verkauft», führt Willi Schnider aus. Ein Teil der Molke wird zu Ziger oder als Molkegetränk in Flaschen abgefüllt. Was übrig bleibt, holt ein Bauer ab, der sie seinen Tieren verfüttert. Nicht verfüttert wird natürlich die lockere Käsemasse in den Formen. Die beiden Käser, der Schwinger Martin Felder sowie Daniel Graf legen in jede der 16 Formen eine Identifikations-Marke und pressen die Masse zu einem Käselaib. Am nächsten Tag wird dieser aus der Form genommen und für 18 Tage ins Salzbad gelegt. Nach dem Bad reift der Laib in Etappen im klimatisierten Keller zu einem vollwertigen Sbrinz heran. Regelmässig wird er abgerieben und gewendet. «Sbrinz reift mindestens 18 Mo-nate, bevor der 45 Kilogramm schwere Käselaib angeschnitten werden kann», so Schnider. In den Kellern der Entlebucher Spezialitäten Käserei lagert nur der Sbrinz, den die Käserei direkt verkauft. Ein Grossteil dieses Käses reift jedoch in den Lagern von Emmi heran und wird später von Emmi an Grossverteiler weiterverkauft. 

«Wertschöpfung bleibt in der Region»

Die Entlebucher Spezialitäten Käserei stellt weitere Käsesorten und Milchprodukte für Grossverteiler her, zudem solche für lokale Bäckereien, Verkaufsläden und Restaurants. «Die Wertschöpfung bleibt also in der Region», stellt Willi Schnider erfreut fest. Ebenfalls aus regionaler Herkunft ist die Wärmeenergie für die gesamte Käserei: «Die Holzschnitzel für unsere Holzschnitzelheizung beziehen wir von einer nahe gelegenen Sägerei», so Schnider.



20 Jahre Unesco Biosphäre Entlebuch (UBE): Zum Jubiläum beleuchten wir in einer Serie verschiedene Aspekte der UBE. Im nächsten Beitrag legen wir den Fokus auf den Bereich Forschung und die Bildung.

Die Milch hier verarbeiten

Unter dem Label «Echt Entlebuch» werden derzeit fast 500 Produkte vermarktet. Beispielsweise werden pro Jahr insgesamt rund 15 Millionen Kilogramm Käsereimilch verarbeitet, die von 149 Landwirtschaftsbetrieben stammen. Dazu kommen acht Landwirte, die Schafmilch herstellen. Vermarktet werden die Produkte teilweise über die Biosphäre Markt AG. Rund 2,3 Millionen betrug der Umsatz der Milchprodukte, die im letzten Jahr über die Biosphäre Markt AG verkauft wurden. Mit 780´000 Franken Umsatz liegen Raclette und Fonduekäse an der Spitze, gefolgt von Spezialmilch und Molkereiprodukten. Laut Peter Stadelmann, in der Unesco Biosphäre Entlebuch verantwortlich für den Bereich

Regionalprodukte und Betriebe, ist die Organisation auf gutem Weg. «Dank des konsequenten Wegs in Richtung Qualität und Spezialitäten ist die Milchverarbeitung in der Biosphäre Entlebuch heute in einer professionellen Struktur aufgestellt.» Die Wertschöpfungskette sei insgesamt gestärkt worden. So habe verhindert werden können, dass der grösste Teil der Milch als Industriemilch ausserhalb der Region verarbeitet werde, hält Stadelmann fest. In Zukunft wolle man den Marktanteil weiter erhöhen sowie neue Produkte auf den Markt bringen.

25.02.2021 :: Rebekka Schüpbach (srz)