Narzissmus – Leid der Angehörigen lindern

Narzissmus – Leid der Angehörigen lindern
Angehörige von Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung fühlen sich oft alleine. / Bild: Daniel Schweizer (sdl)
Emmental: In Langnau soll eine Selbsthilfegruppe für Partnerinnen und Partner sowie Angehörige und Freunde von Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung entstehen.

«Von aussen sieht unsere Ehe bilderbuchmässig aus. Es gibt Leute, die bezeichnen uns als Traumpaar. Kaum jemand glaubt mir, dass ich in dieser Ehe leide und sich mein Mann mir gegenüber völlig anders verhält als in der Öffentlichkeit.» Mit solchen oder ähnlichen Aussagen werde Selbsthilfe BE, ein gemeinnütziger Verein, der sich im Auftrag des Kantons Bern für die gemeinschaftliche Selbsthilfe engagiert, in den letzten zwei Jahren häufiger konfrontiert, erklärt Silvia Kiener von der Beratungsstelle in Burgdorf. Angehörige berichteten von fehlendem Mitgefühl, entwertenden Bemerkungen, manipulierendem Verhalten ihrer Partnerinnen oder Partner bis hin zu psychischer Gewalt, so Kiener. Nun soll in der Region Emmental eine Selbsthilfegruppe gegründet werden, wo sich Angehörige austauschen können. Es bestünden bereits Selbsthilfegruppen zu diesem Thema im Raum Bern-Mittelland und Thun-Oberland.

Die Selbsthilfegruppe Emmental

Ein erstes Treffen mit Interessierten fand bereits im November statt. «So, wie es aktuell aussieht, sollte diese Gruppe zustande kommen», erklärt Silvia Kiener. Die Gründung der Gruppe sei im Moment noch ein laufender Prozess. Die Gruppenmitglieder bestimmten selber über die Themen sowie über die Rahmenbedingungen wie Ort und Zeit der Treffen. Eine Selbsthilfegruppe ersetze keine Therapie oder Begleitung durch eine Fachperson, könne aber eine Ergänzung sein, betont sie. 

Wichtigstes Ziel der Selbsthilfegruppe sei der Austausch unter den Betroffenen. «Nur schon zu erfahren, wie andere mit solch schlimmen Erfahrungen umgehen, kann den Leidensdruck lindern», so Silvia Kiener weiter. Zu erleben, dass es anderen ähnlich ergehe, könne eine grosse Erleichterung sein. Durch den Erfahrungsaustausch könnten neue Wege für den Umgang mit schwierigen Situationen gefunden werden, fügt Kiener bei.

Die Rolle von Selbsthilfe BE

«Wir sind keine Fachpersonen für Fragen rund um Narzissmus», erläutert Silvia Kiener, «aber wir unterstützen betroffene Personen beim Prozess der Gruppengründung und der Bildung der organisatorischen Strukturen, bis die Gruppe selbständig funktioniert.» So müsse auch geklärt werden, in welchem Rhythmus sich die Gruppe treffe, wo sie sich treffe und wer als Kontaktperson fungiere. Danach funktioniere die Gruppe autonom. «Bei Problemen innerhalb der Gruppe bieten wir auch Coachings an», fügt Kiener bei. Zudem würden für die Selbsthilfegruppen Weiterbildungen in Form von Workshops angeboten. All diese Dienstleistungen erbringe Selbsthilfe BE kostenlos.

Übermässig stark mit sich selbst beschäftigt

Die narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) – nicht zu verwechseln mit Narzissmus als Charaktereigenschaft – zeichnet sich durch einen Mangel an Empathie, durch Überschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein gesteigertes Verlangen nach Anerkennung aus. Typisch ist, dass die betroffenen Personen übermässig stark damit beschäftigt sind, anderen zu imponieren und um Bewunderung für sich zu werben, aber selbst nur wenig zwischenmenschliches Einfühlungsvermögen besitzen und nur wenig emotionale Wärme an andere Menschen zurückgeben.

Narzisstische Persönlichkeiten weisen deutliche Probleme bei der Anpassung an ihre Lebensumstände und an ihr Lebensumfeld und in der autonomen Regulierung des Selbstwertgefühls auf. Solche Anpassungsschwierigkeiten können sich in vielfältiger Weise äussern und in verschiedenen Erscheinungsformen der NPS auftreten. Der übermässige Geltungsdrang kann entweder selbstsicher in Szene gesetzt oder schüchtern verborgen werden. Dementsprechend können Betroffene arrogant auftreten oder sich bescheiden geben. 

Quelle: Wikipedia (Auszug)

Opferhilfe ist Anlauf- stelle, wenns eskaliert

Eskaliert die Situation, kommt es zu Drohungen, zu Nötigung oder gar zu psychischer Gewalt, ist Opferhilfe Bern eine wichtige Anlaufstelle für Betroffene. «Wir können mit unserem Fachwissen kostenlose Beratung und Unterstützung anbieten», sagt Brigitte Gschwend, stellvertretende Leiterin der Beratungsstelle in Bern, Das Phänomen narzisstische Persönlichkeitsstörung sei bekannt und ein häufiges Krankheitsbild bei Stalking oder physischer Gewalt. 

Einbezug von Täterin und Täter

Bei grossem Gefährdungspotenzial würde die Fachstelle auch die Polizei einschalten, sagt Brigitte Gschwend. «Wir versuchen zudem, auf die Gesamtsituation unterstützend zu wirken, möglichst unter Einbezug von Täterin und Täter.» Nur mit psychologischer Betreuung auch der Tatpersonen bestünden Chancen für eine Deeskalation.

14.01.2021 :: Daniel Schweizer (sdl)